Zdekauer, Moritz (Stekauer Markus, Moriz) (1770–1845), Kaufmann und Bankier

Zdekauer Moritz (Stekauer Markus, Moriz), Kaufmann und Bankier. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 8. 1. 1770, oder Groß Zdikau, Böhmen (Zdíkov, CZ), 29. 3. 1770; gest. Prag, 7. 7. 1845; mos., ab 1826 röm.-kath. Aus einer dt.sprachigen jüd. Familie stammend. Großvater von →Konrad Ritter v. Z. und →Karl Amadeus Ritter v. Z. (beide s. u. Karl Konstantin Ritter v. Z.), Vater von →Karl Konstantin Ritter v. Z., Eduard Ignaz Z. und Friedrich Frh. Z. v. Treukron (beide s. u.) sowie des öff. Ges. des Großhandlungshauses Moritz Zdekauer Adolf Z. (geb. 16. 5. 1822; gest. Prag, 5. 8. 1895), Onkel von Emanuel Z. (s. u.); ab 1805 verheiratet mit Charlotte Z., geb. Frankl (geb. Prag, 13. 10. 1786; gest. 27. 1. 1861). – Z. erhielt eine Ausbildung zum Bankier und gründete 1803 sein eigenes Unternehmen in Prag, wo er eine Bank eröffnete, deren rascher Aufstieg mit den finanziellen Verlusten durch die napoleon. Kriege und dem nachfolgenden Staatsbankrott 1811 verbunden war. Z. widmete staatl. Schuldbriefe in neue Obligationen, sog. Métalliques (1816), um. Als fähiger Finanzmann festigte er in kurzer Zeit seine Position im Prager Milieu und knüpfte wertvolle Beziehungen v. a. in den Kreisen der Großgrundbesitzer, denen er Darlehen gewährte und Garantien für Hypothekarschulden gab. Die österr. Behörden zogen ihn als Berater und Vermittler heran. Z. genoss hohes Vertrauen bei seiner meist aus den böhm. Ländern stammenden Kundschaft. 1823 gründete er gem. mit →Leopold v. Laemel und mehreren Aristokraten die für die gesamte Monarchie bedeutende Böhm. Sparkasse, die zu den am dynamischsten wachsenden Geldinst. zählte und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der böhm. Ind. spielte, und als deren Dir. Z. 1825–45 fungierte. In Prag auch als freigiebiger Mäzen bekannt, unterstützte er finanziell eine jüd. Schule, wurde Mitgl. der Ges. des vaterländ. Mus. in Böhmen und weiterer bedeutender öff. Ges. zur Förderung insbes. der Wiss. Er erwarb den bekannten, von →Josef Emanuel Gf. Canal v. Malabaila begründeten und der Öffentlichkeit zugängl. Prager Canal-Garten, den er erweiterte sowie verschönerte und der eine Zeit lang nach ihm benannt war. Z.s weiterer gesellschaftl. Aufstieg erfolgte nach seiner Konversion; seinen Antrag auf Erhebung in den Adelsstand 1842 lehnte K. →Ferdinand I. jedoch zwei Jahre später ab. Nach Z.s Tod erbten seine Söhne Eduard Ignaz, Friedrich, Karl Konstantin und Adolf Z. das Unternehmen. Der Zweitälteste, der Rechtsanwalt und Bankier Friedrich Frh. Z. v. Treukron (geb. Prag, 10. 5. 1810; gest. ebd., 5. 5. 1873), war ab 1841 mit der Tochter des Prager Polizeipräs. Antonie Freifrau Z. v. T., geb. Muth (1783–1855), verheiratet und wurde nach dem Jusstud. in Prag bereits mit 22 Jahren Prokurist der Familienbank. In enger Zusammenarbeit mit Karl Konstantin v. Z. gehörte das Bankhaus Moritz Zdekauer unter seiner Leitung zu den führenden Finanzinst. der Monarchie. Die Regierung zog ihn als Berater bei staatl. Wirtschaftsfragen heran; 1833 Berater bei den Verhh. über die Ausschreibung einer Staatsanleihe, wurde er 1853 ständiger Finanzberater der Regierung. 1851–54 saß er im Ausschuss für die Bekämpfung der Armut in der Monarchie. In den böhm. Ländern stand Friedrich Z. v. T. außerdem an der Spitze weiterer Geldinst.: Ab 1843 leitete er die Böhm. Sparkasse, 1868 ernannte man ihn zum leitenden Präs. ihrer Prager Zweigstelle. Die Bank stellte v. a. Kapital für die industrielle Entwicklung bedeutender Eisenbahn- und Dampfschifffahrtsunternehmen zur Verfügung. Ab 1848 war Friedrich Z. v. T. Leitungsmitgl. und ab 1873 Präs. des Prager Kettenbrücken-Actienver., Dir. der Prager Filiale der österr. Nationalbank, der Prager privilegierten Dampfschifffahrtsges. und Präs. der Aussig-Teplitzer Eisenbahnges. Bedeutende Funktionen versah er bei der Buschtěhrader Eisenbahn und der Böhm. Nordbahn sowie der Süd-Norddt. Verbindungsbahn. Er beteiligte sich an der Gründung der Waggonfabrik in Bubny und 1869 an der Gründung der Allg. Böhm. Bank, deren Präs. er später wurde; Vizepräs. der Prager HGK (1858–59, 1869–73). Er unterstützte die böhm. Textilind. und investierte in Leinenspinnereien in Bünauburg. Humanitär engag., half er finanziell Bedürftigen oder Verwundeten und beteiligte sich an der Formulierung der Genfer Konvention von 1864. 1849–61 war er Mitgl. des Prager Gmd.rats. 1855 Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat „Edler von Treukron“, 1865 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Kl. mit Erhebung in den Ritterstand, 1872 Frh. Außerdem bekam Friedrich Z. v. T. zahlreiche ausländ. Ausz. Z.s ältester Sohn Eduard Ignaz Z. (geb. Prag, 20. 10. 1809; gest. ebd., 3. 10. 1856) lebte mehrere Jahre in England und gründete nach der Rückkehr nach Böhmen mit seinem Schwager →Adolph Heinrich Suess das Handelshaus Suess & Comp., das Wolle nach England exportierte. 1845 trat er in das Familienunternehmen Moritz Zdekauer ein. Z.s Neffe und Schwiegersohn, der Industrielle und Bankier Emanuel Z. (geb. Prag, 15. 5. 1802 oder 1. 7. 1803; gest. ebd., 21. 2. 1875), widmete sich der Unterstützung des Kleingewerbes, später dem Handel und der Ind. Mit dem Ertrag einer Geldlotterie schuf er 1850 die Grundlage für die Prager Darlehenskasse für das Handwerk. 1863 gründete er in Prag den Handwerkerver. Řemeslnická jednota („Über die Organisation von Handwerker- und Arbeitervereinen“, 1849).

L. (auch zu Friedrich Z. v. T., Eduard Ignaz Z. u. Emanuel Z.): Masaryk; Otto; Wurzbach; V. Urfus, in: Pražský sborník historický 7, 1972, S. 116ff.; Historická enc. podnikatelů Čech, Moravy a Slezska 2, ed. M. Myška u. a., 2008, S. 410; J. Županič, Židovská šlechta podunajské monarchie, 2012, S. 689ff.; Archiv hlavního města Prahy, CZ. – Emanuel Z.: V. Urfus, in: Právněhistorické studie 10, 1964, S. 25; Národní archiv, Praha, CZ.
(M. Makariusová)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 453f.
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