Zehden, Karl (Carl) August (1843–1901), Geograph und Lehrer

Zehden Karl (Carl) August, Geograph und Lehrer. Geb. Linz (OÖ), 16. 8. 1843; gest. Hinterbrühl (NÖ), 22. 5. 1901; röm.-kath. Sohn des Sängers und späteren Gymn.lehrers Theodor Anton Z. (geb. 5. 6. 1813; gest. Gmunden, OÖ, 13. 2. 1892) und der Albertina Z., geb. Krones, der Nichte von →Therese Krones; verheiratet mit Maria Z. (gest. Bonn, Dt. Reich/D, 26. 6. 1906). – Z. verlor 1851 durch einen Unfall seinen linken Arm und musste zeitlebens eine Prothese tragen. Nach Absolv. des Gymn. zog er nach Wien, um ab 1864 an der dortigen Univ. u. a. Geschichte und Geographie bei →Josef v. Aschbach, P. →Albert Jäger, →Theodor v. Sickel und →Friedrich Simony zu stud.; 1868 Lehramtsprüfung für Geschichte und Geographie für Gymn., 1869 Dr. phil. Ab 1867 besuchte Z. den Kurs am Inst. für österr. Geschichtsforschung; 1869 Staatsprüfung. In seiner Abschlussarbeit verwendete er verstärkt mittelalterl. Urkunden, wobei diese neuartige Berücksichtigung von Quellen zur Entstehung der späteren – und bis heute fortgesetzten – Quellened. der „Regesta Habsburgica“ beitrug. 1869–71 arbeitete er als Archiv-Offizial im Archiv des Min. des Innern. Z. wandte sich zunehmend der Geographie zu und wurde 1871 als Prof. der Geographie und Statistik an die Wr. Handelsakad. berufen. Seine Intention war es, das theoret. Gebiet der wirtschaftl. Geographie durch prakt. Kenntnisse der Verhältnisse vor Ort zu erweitern, um so tiefer in die Materie einzudringen und diese besser vermitteln zu können. Es folgten daher mehrere Stud.reisen, u. a. in den Orient (1872), nach Neapel (1874), Dänemark (1874) sowie nach Kalifornien, verbunden mit einem Besuch der Weltausst. in Philadelphia (1876). Dabei verfolgte Z. in den dortigen Handelsschulen den Einfluss der Ausbildung auf die wirtschaftl. Entwicklung der jeweiligen Länder und verhalf i. d. F. dem Unterrichtsgegenstand Handelsgeographie zu maßgebl. Bedeutung in der kaufmänn. Lehre; 1876/77 Rektor der Handelshochschule in Wien. 1888 wurde er in der Ära des Unterrichtsministers →Paul Gautsch Frh. v. Frankenthurn vom Leiter des Referats für das kommerzielle Bildungswesen, →Franz Joseph Frh. v. Haymerle, als Zentralinsp. für das kaufmänn. Unterrichtswesen eingesetzt. Innerhalb eines Jahres inspizierte Z. alle kaufmänn. Schulen Cisleithaniens und stellte fest, dass eine völlige Neuorganisation auf drei Ebenen erforderl. war (Schultypus, Ausbildung der Lehrenden, Lehrmittel). Z. gelang es, gem. mit Haymerle und in Absprache mit den Kaufleuten selbst, innerhalb von nur zehn Jahren die kaufmänn. Schulen zu reformieren, Normallehrpläne einzuführen, Lehrmittel zu schaffen und eine allg. Prüfungsordnung für Lehramtskandidaten für die kommerziellen Schulen zu installieren. Das kaufmänn. Unterrichtswesen gliederte sich nun in Höhere Handelsschulen mit drei Kl. und einer Vorbereitungskl., in zweiklassige Handelsschulen mit einer Vorbereitungskl. und in kaufmänn. Fortbildungsschulen. Insgesamt führten diese Maßnahmen zu einer Blütezeit des kaufmänn. Schulwesens. Daneben entfaltete Z. eine vielfältige Vortragstätigkeit und verf. zahlreiche kleinere Arbeiten, die u. a. in den „Mittheilungen der kais. königl. Geographischen Gesellschaft in Wien“ oder der „Deutschen Rundschau für Geographie und Statistik“ erschienen. Unter seiner maßgebl. Mitarb. entstanden auch der 1. Bd. von „Die Seehäfen des Weltverkehrs“ (ed. Alexander Dorn, 1889) und der „Atlas für Commercielle Lehranstalten“ (1894). Z. bekleidete zudem die Stellung des Dir. der Fortbildungsschule für Eisenbahnbeamte, fungierte als Vors. der Prüfungskomm. für zweiklassige Handelsschulen und war Mitgl. der Prüfungskomm. für höhere Handelslehranstalten. 1900 trat er an der Wr. Handelsakad. i. d. R., verblieb jedoch in seiner Funktion als Zentralinsp. 1871 veröff. er „Handelsgeographie auf Grundlage der neuesten Forschungen und Ergebnisse der Statistik“. Für dieses Werk, das in mehrere Sprachen übers. und vielfach neu aufgelegt wurde (15. Aufl. 1922), erhielt Z. bereits 1871 die Goldene Medaille für Kunst und Wiss. Weiters war er u. a. Mitgl. und Mitarb. des Wr. kaufmänn. Ver. sowie ab 1874 Mitgl. der Geograph. Ges. in Wien. 1889 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; 1895 Reg.Rat, 1901 HR.

Weitere W.: Aus dem trop. Amerika, 1880; Californien von Einst und Jetzt, 1880; Oesterr. Auftreten auf dem austral. Weltmarkte, 1882; Leitfaden der Handels- und Verkehrs-Geographie für kaufmänn. Fortbildungsschulen, 1891; Zur Geschichte des commerciellen Bildungswesens in Oesterr. von 1848–98, 1897; Leitfaden der Handels- und Verkehrs-Geographie für zweiclassige Handelsschulen, 1899.
L.: Tages-Post (Linz), 10. 11. 1871, 25. 7. 1872, 17. 12. 1889; Neues Wr. Bl., 25. 3., Neues Fremden-Bl., 21. 7. 1874; Die Presse, 27. 5. 1876; Wr. Neueste Nachrichten, 12. 8. 1895; Lhotsky, Inst.; A. Ficker, in: Statist. MS 2, 1876, S. 121f.; Wr. Communal-Kal. und Städt. Jb. 5, 1877, S. 180; FS aus Veranlassung der fünfundzwanzigjährigen Jubelfeier der k. k. Geograph. Ges. in Wien, 1881, S. 73f.; Eisenbahn-Ztg. 6, 1883, S. 328, 7, 1884, S. 555; Dt. Rundschau für Geographie und Statistik 19, 1897, S. 278ff. (m. B.); Wr. Bilder 6, 1901, S. 5 (m. B.); MIÖG 23, 1902, S. 216; Das kommerzielle Bildungswesen in Österr., ed. F. Dlabač – E. Gelcich, 1910, s. Reg.; 100 Jahre Unterrichtsmin. 1848–1948, 1948, S. 258f.; Inst. für Österr. Geschichtsforschung, UA, beide Wien; Pfarre Hinterbrühl, NÖ; Pfarre Linz-Hl. Familie, OÖ.
(Ch. Schissling)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 459f.
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