Zeidler, Jakob (1855–1911), Literarhistoriker und Lehrer

Zeidler Jakob, Literaturhistoriker und Lehrer. Geb. Wien, 13. 9. 1855; gest. Mauer bei Wien, NÖ (Wien), 20. 8. 1911; röm.-kath. Sohn des Mediziners Franz Z. und dessen Frau Anna Z., geb. Hartl, Bruder von →Othmar Z. und Franz de Paula Z. (gest. 22. 6. 1901), 1878–91 Apotheker in Retz, Onkel des Apothekers Carl Adam Z. (geb. Retz, NÖ, 25. 8. 1886; gest. Wien, 21. 12. 1959); unverheiratet. – Nach der Matura am Wr. Schottengymn., wo er von P. →Hugo Mareta unterrichtet wurde und sich mit →Jakob Minor, →August Sauer und →Joseph Seemüller sowie dem späteren Schottenpriester Maurus Haitzinger anfreundete, stud. Z. 1875–79 an der phil. Fak. der Univ. Wien; 1881 Zulassung als Lehrer für Dt. für das gesamte Gymn. sowie für Geschichte und Geographie für die Unterstufe. 1881–85 Doz. für dt. Sprache und Literatur an der Wr. Handelsakad., 1885–89 Prof. am Staatsobergymn. in Oberhollabrunn, war Z. ab 1889 Prof. am Staatsobergymn. in Wien 3. Als Literaturhistoriker befasste sich Z. mit der Erforschung der österr. Theatergeschichte, u. a. den Jesuiten- und Schuldramen sowie dem Werk →Franz Grillparzers. 1888 veröff. er eine Monographie über „Die Schauspielthätigkeit der Schüler und Studenten Wiens“, 1891 erschienen seine „Studien und Beiträge zur Geschichte der Jesuitenkomödie und des Klosterdramas“. Gem. mit →Karl Glossy ed. er die Tagebücher von →Karl Ludwig Costenoble („Aus dem Burgtheater 1818–1837“, 2 Bde., 1899). Des Weiteren publ. Z. Beitrr. in den „Blättern des Vereines für Landeskunde in Niederösterreich“, den „Mitteilungen der Gesellschaft für Erziehungs- und Schulgeschichte“, der „Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte“, den „Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte“, der „Zeitschrift für österreichische Gymnasien“, dem „Allgemeinen Literaturblatt“, der „Deutschen Literaturzeitung“, der Z. „Euphorion“ sowie Feuilletons in der „Wiener Zeitung“. Bleibendes hinterließ Z. als Mithrsg. der vom Verleger Otto Fromme initiierten „Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn“ (4 Bde., 1899–1937), an der er ab 1895, neben zahlreichen Mitarb., gem. mit →Johann Willibald Nagl arbeitete. Dem nach dem Tod Z.s bzw. Nagls von Eduard Castle fortgesetzten Hdb. „Nagl–Zeidler–Castle“ wurde eine wechselvolle Rezeptionsgeschichte zuteil. Sauer war der Meinung, in dem Werk würde dem Volkstüml. bzw. der Mundartdichtung eine zu wichtige Rolle beigemessen. Der dt. Germanist Franz Muncker bemängelte u. a. die kath. Sicht der Literaturgeschichte sowie die seines Erachtens übertriebene Hervorhebung der literar. Leistungen österr. Autoren. Um die Jh.wende lehnten die Dt.nationalen das Konzept einer österr. Literatur genauso ab wie später die Nationalsozialisten. Trotz allem gilt das Werk bis heute als eines der umfassendsten Hdbb. zur Geschichte der österr. Literatur. Z. war Dir.-Stellv. und Examinator der Prüfungskomm. für das Lehramt des Freihandzeichnens an Mittelschulen und Lehrerbildungsanstalten, der Prüfungskomm. des Lehramts für Musik sowie Mitgl. der Prüfungskomm. des Lehramts für höhere Handelsschulen. Des Weiteren fungierte er als Preisrichter für dramat. Kunst beim hohen nö. Landesausschuss, war 1892 Mitgl. der wiss. Komm. der internationalen Ausst. für Musik und Theaterwesen und ab 1898 Ausschussmitgl. des Ver. für Landeskde. von NÖ. Z. erhielt 1902 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens und wurde 1911 zum Reg.Rat ernannt.

Weitere W. (s. auch Internationales Germanistenlex.): Schul- und Gelehrtendrama, 1892; Über Jesuiten und Ordensleute als Theaterdichter und P. Ferdinand Rosner insbes., 1893; Ein Zensurexemplar von Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“, 1898; In Sachen der „Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte“, hrsg. von Nagl und Z., 1899.
L.: Grazer Tagbl., Neues Wr. Journal, NFP, NWT, WZ, 22., NFP, 23., RP, 24., Dt. Volksbl., 22., 25. 8. 1911; Kosel 2; Wer ist’s?, 1905; Dtld., Österr.-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild, 1908 (m. B.); Pharmazeut. Presse 16, 1911, S. 268; Z. des Allg. österr. Apotheker-Ver. 49, 1911, S. 351; J. W. Nagl, in: Monatsbl. des Ver. für Landeskde. von NÖ 10, 1911, S. 347ff.; Kleines österr. Literaturlex., ed. H. Giebisch, 1948; W. Michler, in: Literaturgeschichte: Österr., ed. W. Schmidt-Dengler u. a., 1995, S. 181ff.; G. Renner, in: Literar. Leben in Österr. 1848–90, ed. K. Amann u. a., 2000, S. 859ff.; Internationales Germanistenlex. 1800–1950, 3, 2003 (m. W.); Pfarre Mauer, Pfarre Schottenfeld, UA, alle Wien.
(Á. Z. Bernád)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 463f.
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