Zeidler, Othmar (1850–1911), Chemiker und Apotheker

Zeidler Othmar, Chemiker und Apotheker. Geb. Wien, 29. 8. 1850; gest. Mauer bei Wien, NÖ (Wien), 17. 6. 1911; röm.-kath. Sohn des Arztes Franz Z. und der Anna Z., geb. Hartl, Bruder von →Jakob Z. und Franz de Paula Z. (gest. 22. 6. 1901), 1878–91 Apotheker in Retz, Onkel des Apothekers Carl Adam Z. (geb. Retz, NÖ, 25. 8. 1886; gest. Wien, 21. 12. 1959); unverheiratet. – Z. besuchte 1864–68 das Schottengymn., verbrachte 1869–70 einige Zeit in Brünn und stud. ab 1870 Pharmazie an der Univ. Wien. Seine prakt. Ausbildung erhielt er in Apotheken in Murau und Obernberg am Inn; 1872 Mag. pharm. in Wien. Anschließend ging er erst nach Heidelberg und dann nach Straßburg, wo er an den jeweiligen Univ. Chemie stud.; 1873 Dr. phil. in Straßburg. 1874–79 wirkte er als Ass. am chem. Inst. der Univ. Wien unter →Friedrich Rochleder und →Adolf Lieben. Danach widmete er sich der prakt. Pharmazie. 1879 übernahm er die Apotheke Zum Erzengel Michael in Fünfhaus. 1891 übergab er diese an seinen Bruder, der zuvor die Apotheke in Retz besessen hatte, und erhielt Anfang Mai desselben Jahres die Gumpendorfer Apotheke St. Aegyd. 1907 verkaufte er diese aus gesundheitl. Gründen an Jakob Brady. Seine letzten Jahre verbrachte Z. zurückgezogen in seiner Villa in Mauer. Im Rahmen seiner Diss. „Beitrag zur Kenntnis der Verbindungen zwischen Aldehyden und aromatischen Kohlenwasserstoffen“ unter der Leitung des späteren Nobelpreisträgers Adolf Ritter v. Baeyer synthetisierte Z. erstmals das Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT). Allerdings konnte er die Bedeutung seiner Entdeckung selbst nie erfassen, da die insektiziden Eigenschaften erst 1939 in der Schweiz bei Anwendung gegen den Kartoffelkäfer und wenig später auch bei anderen Insekten erkannt wurden. Ebenfalls aus der Diss. entstand der Artikel „Verbindungen von Chloral mit Brom- und Chlorbenzol“ (in: Berr. der dt. chem. Ges. 7, 1874). Zudem publ. Z. eine Reihe wiss. Arbeiten u. a. über organ. Kondensationsprodukte, Anthracen und seine Derivate sowie Carbazol und die Denkschrift „Die Entwicklung der österreichischen Pharmacie in den letzten 50 Jahren“ (1900). Standespolit. aktiv, wurde Z. 1889 in die nö. HGK und 1897 zum 1. Vorsteher des Wr. Apotheker-Hauptgremiums gewählt. 1899 stand er an der Spitze der Wr. Apotheker in einer Auseinandersetzung mit den Krankenkassen, die zwischenzeitl. zum Boykott zahlreicher Wr. Apotheken führte. Neben der Regelung der Krankenkassentaxe erfolgten unter seiner Ägide Apothekenneugründungen in den Vororten, die Zulassung von Frauen zum Beruf und andere innerorganisator. Reformen. In das 1900–03 erarbeitete neue Apothekergesetz war Z. ebenfalls stark eingebunden. Darüber hinaus fungierte er als Mitgl. der Prüfungskomm. für pharmazeut. Rigorosen an der Univ. Wien, als Mitgl. des Direktoriums des Allg. Österr. Apothekerver. (ab 1872 Mitgl. und ab 1906 Ehrenmitgl.) und des Gremialausschusses. Bei Versmlgg. des Apothekerver. und des Gremialausschusses hielt er Referate und war in Bezug auf Reformfragen der Pharmazie tätig, allerdings mit eher konservativer Ausrichtung. Des Weiteren war er 1871 Mitbegründer und Ehrenmitgl. des Dt.-akadem. Pharmazeutenver. in Wien. In seiner Freizeit befasste sich Z. intensiv mit Musik und galt als ausgez. Klavierspieler. Er komponierte zahlreiche Tänze, Lieder, aber auch größere Werke. Sein musikal. Œuvre gelangte jedoch mit Ausnahme einiger Walzer bei Kränzchen des Dt.-akadem. Pharmazeutenver. und einiger Messen in der Kirche zu Mauer nicht an die Öffentlichkeit.

L.: Dt. Apotheker-Biographie; Pharmazeut. Post 44, 1911, S. 512, 519f.; Z. des Allg. österr. Apotheker-Ver. 49, 1911, S. 269f.; F. Czeike, in: Wr. Geschichtsbll. 59, 2004, S. 75ff.; Pfarre Mauer, Pfarre Schottenfeld, UA, alle Wien.
(G. Vavra)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 464
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