Zeisel, Simon (1854–1933), Chemiker

Zeisel Simon, Chemiker. Geb. Lomnitz, Mähren (Lomnice u Tišnova, CZ), 10. 4. 1854; gest. Wien, 10. 1. 1933; mos., ab 1887 röm.-kath. Sohn des Handwerkers Wilhelm Z. und der Karoline Z., geb. Deutsch; ab 1891 mit Maria Z., geb. Rößler (geb. 29. 10. 1866), verheiratet. – Z. besuchte das dt. Staatsgymn. in Brünn und stud. ab 1874 Chemie an der Univ. Wien, wobei er 1876 ein Stipendium bei →Adolf Lieben erhielt; 1879 Dr. phil., arbeitete er i. d. F. als Aushilfsass., ab 1881 als Ass. am II. chem. Inst. der Univ. Wien. 1887 habil. er sich als Priv.Doz. für Chemie, 1890 erhielt er die zweite Adjunktenstelle. Mit Anfang 1892 wurde Z. zum ao. Prof. für allg. Chemie und Agrikulturchemie an der BOKU ernannt; 1894 o. Prof., 1899/1900 Rektor, 1925 emer. Z.s erste Arbeiten unter Lieben führten zur Entdeckung der Kondensationsregeln von Aldehyden. 1883 wandte er sich der Struktur des Colchicins zu. Als Erstem gelang es ihm, die Summenformel dieses giftigen Hauptalkaloids der Herbstzeitlose zu bestimmen. Gem. mit →Josef Herzig, mit dem er auch freundschaftl. verbunden war, suchte Z. von 1888 an nach Gesetzmäßigkeiten bei der Umsetzung ein- und mehrwertiger Phenole mit Ethyliodid. Z. und Herzig konnten beweisen, dass bestimmte Phenole sowohl in Enol- als auch in Ketoform vorliegen. Im Zuge dieser Arbeiten gelang es, einen der ersten Fälle von sterischer Hinderung bei der Oximierung von Ketonen nachzuweisen. In späteren Jahren befasste sich Z. vermehrt mit landwirtschaftl.-prakt. Fragestellungen, beispielsweise mit der Ermittlung des Glyzeringehalts in Wein oder mit Bestimmungsmethoden für Furfurol und Cellulose. Ab 1908 nahm er gem. mit Schülern seine anfängl. Stud. zur Kondensation der Aldehyde wieder auf. In diesem Zusammenhang konnte er die von Lieben und seiner Schule aufgestellten Regeln für die Kondensation von Aldehyden für den Fall der Kondensation des ungesättigten Crotonaldehyds mit sich selber oder mit gleichartigen Aldehyden erweitern. Ein von Z. 1885 entwickeltes Verfahren zur Bestimmung von Alkoxygruppen in Ethern durch Abspaltung des Alkylrests mit Iodwasserstoffsäure und gravimetr. Bestimmung der entstandenen Alkyliodide in Form von Silberiodid ist als Z.-Methode (bzw. als Z.sche Methoxylbestimmung) bekannt. Unter der Z.-Reaktion versteht man die Bildung des farbigen Eisen-Tropolon-Komplexes, der nach der Hydrolyse von Colchicin zu Colchicein und Zusatz eines Eisen-III-Salzes entsteht. 1905 erhielt Z. den Orden der Eisernen Krone III. Kl.; 1908 HR.

W.: s. Eisenberg; Poggendorff.
L.: Sbg. Volksbl., 13. 1. 1933; Eisenberg 2 (m. W.); Hdb. jüd. AutorInnen; Jew. Enc.; Poggendorff 3–5 (m. W.); Wer istʼs?, 1911, 1928; A. Franke, in: Österr. Chemiker-Ztg. 36, 1933, S. 75ff. (m. B.); R. Wegscheider, in: Berr. der dt. chem. Ges. 66, Ser. A, 1933, S. 37; H. Michl, Geschichte des Stud.faches Chemie an der Univ. Wien in den letzten hundert Jahren, phil. Diss. Wien, 1950, S. 103ff.; O.-A. Neumüller, Römpps Chemie Lex. 6, 8. Aufl. 1988; W. R. Pötsch u. a., Lex. bedeutender Chemiker, 1989; BOKU, IKG, Pfarre Gersthof, Pfarre Votivkirche, UA, alle Wien.
(R. W. Soukup)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 469
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