Zelinka, Andreas (1802–1868), Politiker und Jurist

Zelinka Andreas, Politiker und Jurist. Geb. Wischau, Mähren (Vyškov, CZ), 23. 2. 1802; gest. Wien, 21. 11. 1868 (seit 1898 Ehrengrab: Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Oberamtmanns der Herrschaft Wischau Andreas Z. (gest. 1810) und dessen Frau Antonia Z., geb. Stiepan; ab 1834 verheiratet mit Monika Z., geb. Schönbichler (geb. Wieden, NÖ/Wien, 26. 10. 1806; gest. 1867), der Tochter eines Lederermeisters. – Z. besuchte ab 1814 das Gymn. in Brünn und wechselte 1820 auf das Lyzeum in Olmütz, wo er das Philosophicum absolv. 1821–25 stud. er an der Univ. Wien Rechtswiss.; 1829 Dr. iur. Seinen berufl. Werdegang begann er im Rahmen der Patrimonialgerichtsbarkeit als Advokatskonzipient und i. d. F. als Justitiar der in Wien und dessen Umland gelegenen Starhembergʼschen Grundherrschaften Conradswörth, Erlaa, Atzgersdorf und Rothneusiedl, später Schaumburgergrund, Liesing und Hetzendorf. 1832 wurde er zum Hof- und Gerichtsadvokaten, 1835 zum Wechselnotar ernannt. Als Rechtsanwalt der alten Schule erwarb er sich hohes Ansehen. Dies trug ihm 1843 den Dir.posten bei der Nordbahn, einen Sitz im Verw.R. der Carl Ludwig-Bahn in Galizien und die Mitgl.schaft im Ausschuss der Allg. wechselseitigen Capitalien- und Renten-Versicherungsanstalt ein. Seine polit. Karriere begann im Revolutionsjahr 1848 mit der Wahl in den Gmd.ausschuss. Trotz seines Engagements gelang es ihm, sich mit dem neoabsolutist. Regime zu arrangieren. Bei der Bgm.wahl 1850 unterlag er →Johann Kaspar Frh. v. Seiller nur knapp und übte 1851–61 das Amt des Bgm.-Stellv. aus, ehe er – nachdem die Gmd.ordnung von 1850 im November 1860 wieder in Kraft gesetzt worden war – im Juni 1861 zum Bgm. gewählt wurde; Wiederwahl 1864 und 1867. Zudem saß Z. ab 1862 im nö. LT, ab 1864 als Landmarschall-Stellv. Ab 1867 war er Mitgl. des HH auf Lebenszeit. Als Verfechter eines strikten Wirtschaftsliberalismus und auch wegen seiner ausgeprägt vorsichtigen Haltung war Z. Gegner größerer Investitionen der Gmd. Wien, sowohl was Repräsentativbauten (neues Rathaus) als auch was die Infrastruktur (Gasversorgung, öff. Verkehr) anlangte. Obwohl er als San.koär. während der ersten Choleraepidemie 1831 eines Besseren belehrt hätte sein können, erachtete er den von →Eduard Sueß und Vizebgm. →Cajetan Frh. v. Felder propagierten Bau einer Hochquellenwasserleitung als Verschwendung, unterlag aber 1866 in der entscheidenden Abstimmung im Gmd.rat den Befürwortern des Projekts. Hinsichtl. der anlaufenden Großvorhaben der Donauregulierung und der Errichtung eines Zentralfriedhofs fielen trotz der Skepsis des Bgm. bedeutende Vorarbeiten in seine Amtszeit, so etwa die Anlage des Stadtparks. Verwaltungstechn. setzte Z. einige wichtige Schritte, so die Reform des Stadtstatuts gegen den Willen der Regierung Schmerling und die Abtrennung des Bez. Margareten vom Bez. Wieden 1861. Größeren Einfluss auf die Arbeit der Stadterweiterungskomm. zu erlangen, die durch die erteilten Abgabenbefreiungen die Gmd.finanzen einnahmenseitig schädigten, gelang ihm trotz begründeter Rechtsansprüche der Stadt nicht. Was das Wahlrecht betrifft, befürwortete Z. die Einbeziehung breiterer Bevölkerungsschichten in das Wahlsystem. Seine große Popularität („Papa Zelinka“) rührte von seinem Engagement für die ärmeren Bevölkerungsschichten, welches auch in beträchtl. persönl. Zuwendungen zum Ausdruck kam. So spendete er sein Gehalt als Bgm. und ließ testamentar. aus seinem bedeutenden Privatvermögen Legate für die Gründung von Armen- und Waisenhausstiftungen, Studentenfonds und anderen Versorgungseinrichtungen errichten. Schon zu Beginn der 1860er-Jahre erkrankte Z. schwer, anlässl. seiner Genesung stiftete der Gmd.rat ein nicht erhalten gebliebenes Kirchenfenster im Stephansdom. Z. erhielt 1850 das Ritterkreuz, 1866 das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens sowie 1862 den Orden der Eisernen Krone III. Kl. Er war zudem Träger mehrerer ausländ. Ehrenzeichen, etwa Kommandeur des kgl. sächs. Albrecht-Ordens, Großoff. des ottoman. Mecidiye-Ordens und Ritter des kgl. preuß. Roten Adler- sowie des herzogl. Sachsen-Ernestin. Hausordens I. Kl.

L.: WZ, 29. 11. 1868; Adlgasser; Wurzbach; Wr. Kommunal-Kal. und städt. Jb., 1870, S. 150ff.; K. Hilscher, Meidling, 1923, S. 331; H. Rotter, Neubau, 1925, S. 221; I. Werner, Dr. A. Z. ..., phil. Diss. Wien, 1948; P. Vrbovsky, Die Wahlen der Wr. Bgm. 1861–78, phil. Diss. Wien, 1968, S. 34ff.; G. M. Hahnkamper, Der Wr. Gmd.rat zwischen 1861 und 1864, phil. Diss. Wien, 1973, S. 600ff.; F. Czeike, Wien und seine Bgm., 1974, S. 70; A. Meixner, Der Wr. Gmd.rat 1864–68, phil. Diss. Wien, 1975, S. 415; C. Felder, Erinnerungen eines Wr. Bgm., bearb. F. Czeike, 1984, S. 144ff.; Hdb. der Stadt Wien 99, 2, 1984/85, S. 238; Pfarre Unsere Liebe Frau zu den Schotten, Wien; Pfarre Vyškov, CZ.
(A. Weigl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 475f.
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