Zemlinsky, Alexander von (1871–1942), Komponist und Dirigent

Zemlinsky Alexander, Komponist und Dirigent. Geb. Wien, 14. 10. 1871; gest. Larchmont, NY (USA), 15. 3. 1942 (Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof); bis 1899 mos., ab 1906 evang. AB. Enkel von Anton Semlinsky, der aus dem damals ung. Zsolna nach Wien gezogen war, Sohn des ursprüngl. kath. Schriftstellers Adolf (fälschl. „von“) Semlinsky, der 1870 in die türk.-israelit. Gmd. aufgenommen und 1872 deren Sekr. wurde, und der Clara Semo aus jüd.-muslim. Elternhaus, Bruder von Mathilde Z. (1877–1923), der 1. Gattin Arnold Schönbergs; ab 1907 mit Ida Z., geb. Guttmann (1880–1929), ab 1930 mit Louise Z., geb. Sachsel (1900–1992), verheiratet. – Z. lernte früh Klavier und besuchte zwei Jahre lang eine sephard. Schule, ehe er in eine öff. Volksschule wechselte; in der Synagoge wirkte er bald als Korrepetitor und Organist. 1884 bestand er die Aufnahmeprüfung in das KdM, wo er Klavier (bei Wilhelm Rauch und Anton Door), Harmonielehre und Kontrapunkt (bei →Franz Krenn und →Robert Fuchs) sowie Komposition (bei →Johann Nepomuk Fuchs) stud. und im Juli 1892 im Goldenen Saal den 1. Satz seiner d-Moll-Symphonie dirigierte. 1890 hatte er als Pianist den Bösendorfer-Wettbewerb (und damit einen neuen Flügel) gewonnen. 1893 reüssierte Z. im Wr. Tonkünstlerver. als Pianist und Komponist und kam in Kontakt mit →Johannes Brahms, 1895 initiierte er den Musikal. Ver. Polyhymnia, in dem er wohl Schönberg kennenlernte (dessen Lehrer er kurzzeitig wurde), 1896 gewann er mit seiner Oper „Sarema“ (Urauff. 1897, München) den Luitpoldpreis. Seine B-Dur-Symphonie errang 1897 den Beethoven-Preis des Tonkünstlerver., etl. Lieder wurden gedruckt, und Anfang 1900 dirigierte →Gustav Mahler seine Oper „Es war einmal ...“ an der Wr. Hofoper. Im Herbst 1900 wurde Z. für drei Saisonen Chefdirigent des Wr. Carltheaters, 1901 verband ihn mit seiner Kompositionsschülerin Alma Schindler (später Mahler-Werfel) eine leidenschaftl. Affäre, 1902–04 erstellte er für die Universal-Edition Klavier-Arrangements von Opern-Partituren. 1903 Lehrer für Orchestration an der Schule von →Eugenie Schwarzwald sowie im Herbst jenes Jahres Dirigent am Theater an der Wien, wechselte er im Herbst 1904 als Musikdir. an die Wr. Volksoper. 1907 wurde er von Mahler an die Wr. Hofoper berufen, von dessen Nachfolger →Felix Weingartner aber missachtet, sodass er ab 1908 wieder primär an der Volksoper wirkte. Dort dirigierte Z. 1910 seine Oper „Kleider machen Leute“, wie auch im Jahr darauf bei →Max Reinhardts Münchner Operettenfestspielen. Im September 1911 wurde er Musikdir. des Prager Neuen Dt. Theaters, wo er große Erfolge feierte und ein hervorragendes Opernensemble heranbildete; das Orchester brillierte zudem in Konzerten. 1920 zusätzl. Rektor der neu gegr. Prager Dt. Akad. für Musik und darstellende Kunst, leitete er dort die Kl. für Komposition und Dirigieren und trat auch vermehrt mit eigenen Werken (wie den Operneinaktern „Eine florentinische Tragödie“ und „Der Zwerg“) hervor, die die Tonalität bis an deren äußerste Grenze ausloteten, sie aber nie vollständig verließen. 1922 war er Mitbegründer des Prager Ver. für musikal. Privatauff. (nach dem Schönbergschen Wr. Vorbild), als Dirigent feierte er internationale Erfolge. 1927 ging er als Erster Kapellmeister (unter Otto Klemperer) an die Berliner Kroll-Oper, ab 1928 leitete er zusätzl. die Chorkl. der Akad. der Künste. 1930 entstand als Hochzeitsgeschenk für seine 2. Frau die Oper „Der Kreidekreis“. Nach Schließung der Kroll-Oper im Juli 1931 arbeitete Z. v. a. als Gastdirigent. 1933 ließ er sich nach Dirigaten in Prag in Wien nieder, wo er aber ohne festes Engagement blieb. Weiterhin international als Dirigent erfolgreich, verschrieb er sich immer mehr dem Komponieren und schuf u. a. die Oper „Der König Kandaules“, deren Instrumentierung später Antony Beaumont fertigstellte (Urauff. 1996, Hamburg). Nach dem „Anschluss“ Österr. verließen die Z.s ihr Wr. Haus, flohen über Prag und Rotterdam in die USA und trafen im Dezember 1938 in New York ein. Die erneute kompositor. Arbeit endete, als Z. im Juli 1939 einen Schlaganfall erlitt. Anfang 1941 übersiedelte er nach Larchmont. 1989 wurde auf Betreiben von Louise Z. in Wien der A.-Z.-Fonds bei der Ges. der Musikfreunde gegr., dessen Zweck die Förderung der Verbreitung und des Verständnisses der Werke des Komponisten ist.

Weitere W.: s. Grove; MGG.
L.: Grove, 2001 (m. B. u. W.); MGG II (m. W.); Der Auftakt 1, 1921, Sonderh. Z., S. 197ff.; Th. W. Adorno, Quasi una fantasia. Musikal. Schriften 2, 1963, S. 155ff.; A. Z. Tradition im Umkreis der Wr. Schule, ed. O. Kolleritsch, 1976; H. Weber, A. Z., 1977; A. Partsch, Das Opernschaffen Z.s, geisteswiss. Diss. Wien, 1979; W. Loll, Zwischen Tradition und Avantgarde. Die Kammermusik A. Z.s, 1990; A. Z. Ästhetik, Stil und Umfeld, ed. H. Krones, 1995; A. Z., Briefwechsel mit A. Schönberg, A. Webern, A. Berg und F. Schreker, ed. H. Weber, 1995; U. Rademacher, Vokales Schaffen an der Schwelle zur Neuen Musik. Stud. zum Klavierlied A. Z.s, 1996; U. Sommer, A. Z.s Oper „Der König Kandaules“, 1996; Ch. Becher, Die Variantentechnik am Beispiel A. Z.s, 1999; A. Beaumont, A. Z., 2005; P. Wessel, Im Schatten Schönbergs ... Stud. zum Problem der Originalität und Modernität bei A. Z., 2009; U. Wilker, „Das Schönste ist scheußlich“. A. Z.s Operneinakter Der Zwerg, 2013 (m. B.).
(H. Krones)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 481f.
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