Ziegler, Julius (1863–1945), Ökonom und Hochschullehrer

Ziegler Julius, Ökonom und Hochschullehrer. Geb. Rust, Ungarn (Bgld.), 16. 10. 1863; gest. Schwanenstadt (OÖ), 12. 4. 1945; evang. AB. Sohn des evang. Religionslehrers Karoly (Johann Carl) Z. und dessen Frau Luise Z., geb. Vaucher; ab 1888 verheiratet mit Christine Z., geb. Del Fabro. – Nach Besuch der Realschule sowie der Handelsakad. in Wien belegte Z. Vorlesungen an der TH und an der Univ. Wien, erwarb keinen akadem. Abschluss, legte aber die Lehramtsprüfung für höhere Handelslehranstalten ab. 1882–86 war er als Beamter im Dion.-Sekretariat des Wr. Bankver., 1885–87 als Ass. an der Wr. Handelsakad. tätig. 1888 wurde Z. als Lehrer an der Höheren Handelslehranstalt in Aussig angestellt, trat aber noch im selben Jahr eine Stelle an der Handels- und Fortbildungsschule in Bozen an. Ab 1890 war er als Hauptlehrer an der 1840 von Johann Geyer in Wien gegr. privaten Handelsschule tätig, 1899–1905 als w. Lehrer an der öff. Handelsschule des Wr. Kaufmänn. Ver. Ebenfalls 1899 begann Z. als Hon.Doz. seine Laufbahn an der neugegr. k. k. Exportakad. (ab 1919 Hochschule für Welthandel) in Wien, 1904 Titel eines ao. Prof., 1910 Ernennung ad personam, 1918 Verleihung des Titels und 1919 des Charakters eines o. Prof., 1921 o. Prof. für Betriebswirtschaft; in dieser Funktion stand er mehreren Inst. vor. 1927–29 und 1932–34 Rektor der Hochschule für Welthandel; 1934 i. R. Parallel zu seiner Lehrtätigkeit an der Exportakad. fungierte Z. 1906/07 als Prof. an der 1905 gegr. Neuen Wr. Handelsakad. und war in der Zwischenkriegszeit Berater für die Stadt Wien, den Finanzausschuss des Nationalrats und den Ministerrat; 1939 erhielt er die Zulassung als Steuerberater in Wien. Als Verf. von Lehrwerken und wiss. Monographien sowie als Gründer und Hrsg. von Fachz. und Schriftenreihen gehörte Z. zu den Begründern einer professionalisierten Betriebswirtschaftslehre in Österr.; sein fachl. Schwerpunkt lag auf Bilanzen und Buchhaltung. Weiters war Z. Vors. des Gremiums der Buchsachverständigen und der Österr. Betriebswirtschaftl. Ges. für Organisations- und Revisionswesen sowie ab 1908/09 gerichtl. beeideter Buchsachverständiger beim Handelsgericht und beim Strafgericht in Wien. Er gehörte dem Vorstand des Österr. Kuratoriums für Wirtschaftlichkeit, der Österr. Ges. für das kaufmänn. Bildungswesen und der Österr. Ges. für Versicherungsfachwesen an. Überdies war er Mitgl. in Verw.R. oder Geschäftsführungen von Wirtschaftsunternehmen. Während seine Schwiegertochter als „jüdisch“ galt, hatte Z. schon vor dem „Anschluss“ Österr. antisemit. Agitation begünstigt und trat 1938 der NSDAP und dem Nationalsozialist. Rechtswahrerbund bei. Z. war Ehrenmitgl. des Gremiums der Buchsachverständigen, des Österr. Buchhalterverbands sowie Ehrenpräs. der Kammer der Österr. Diplomkaufleute und Präs. der Internationalen Arbeitsgemeinschaft von Treuhandges. und des Verbands der Treuhandinst. Österr. 1933 erhielt er ein Ehrendoktorat der Univ. Bern (Dr. rer. pol.).

W. (s. auch Emődi): Das Goldbilanzengesetz, 1925 (gem. m. H. Nusko); Die organisierte Wirtschaft, 1933; Wirtschaftskrise und Bankenreform, 1934.
L.: Illustrierte Kronen Ztg., 15. 10. 1938; Das kleine Volksbl., 17. 10. 1943; Emődi (m. W.); Jb. der Wr. Ges.; Kosel 1; Die geistige Elite Österr., ed. M. Klang, 1936; Handwörterbuch der Betriebswirtschaft 2, ed. H. Nicklisch, 2. Aufl. 1939, Sp. 826; F. Klein-Blenkers, Gesamtübersicht über die Hochschullehrer der Betriebswirtschaft in der Zeit von 1898–1955, 2. Aufl. 1992, S. 390f.; J. Mugler, in: Journal für Betriebswirtschaft 48, 1998, S. 45ff.; 100 Jahre im Dienste der Wirtschaft, ed. A. Brusatti, 1998, S. 137; P. Mantel, Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus, 2009, S. 863f.; J. Koll, in: Antisemitismus in Österr. 1933–38, ed. G. Enderle-Burcel – I. Reiter-Zatloukal, 2018, S. 823ff.; TU, UA, Wirtschaftsuniv., alle Wien; Bundesarchiv Berlin, D.
(J. Koll)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 525f.
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