Zimmermann, Ludwig Richard (1838–1878), Journalist

Zimmermann Ludwig Richard, Journalist. Geb. Alsfeld, Hessen (D), 21. 11. 1838; gest. Seeon, Dt. Reich (D), 25. 12. 1878; evang. AB. Sohn des Beamten Carl Ludwig Heinrich Z. (geb. Nauheim, Hessen/D, 12. 11. 1806; gest. Neustadt an der Haardt, Bayern / Neustadt an der Weinstraße, D, 19. 4. 1860) und von Caroline Z., geb. Münch (geb. 1811; gest. Frankfurt am Main, Dt. Reich/D, 16. 12. 1871); ab 1873 verheiratet mit Fanny Z., geb. Aller. – Z. besuchte das Großherzogl. Gymn. in Darmstadt und kam 1855 nach Österr., wo er als Kadett in das in Linz stationierte IR Nr. 14 eintrat; 1859 Lt. (1869 berichtete er über seine Dienstzeit in „Lose Skizzen aus dem österreichischen Soldatenleben“). Nach dem Austritt aus dem Heer ging er 1861 nach Italien und schloss sich zunächst der in der Prov. Abruzzo Ulteriore II operierenden Brigantentruppe Giuseppe Schiavones an. Wachsende Spannungen innerhalb der Truppe veranlassten ihn bereits 1862, dem „brigantaggio“ den Rücken zu kehren. In Venedig schrieb er kurzzeitig für den „Giornale di Verona“ und verf. seine „Erinnerungen eines ehemaligen Briganten-Chefs“, die 1864 in der Militär-Z. „Der Kamerad“ und 1868 in Buchform erschienen. Nach seiner Rückkehr nach Österr. zuerst für ein Jahr bei der Südbahnges. tätig, war er ab 1864 Kriegskorrespondent für den „Kameraden“. 1867 kam er nach Graz, wo er vorerst bis 1868 als Red. bei der „Tagespost“ arbeitete, scharfe Kontroversen mit der kath.-konservativen Presse und dem Klerus führte und im Oktober 1868 die Z. „Freiheit“ begründete. Z. unterstützte zunächst die freireligiösen Ideen des protestant. Theologen Johann Leberecht Uhlich und trat an die Spitze des (frei-)religiösen Reformver. Bereits 1870 distanzierte er sich aber von diesen Ideen und unterstützte nun das Freidenkertum (so gehörte er einem Proponentenkomitee für die Errichtung einer religionsfreien Schule an). In dieser Zeit organisierte sich die Arbeiterbewegung, die ihn wegen seiner krit. Haltung in religiösen und polit. Fragen sehr schätzte. Z. ging i. d. F. auf Distanz zu den Liberalen, kritisierte die Haltung der „Tagespost“ und warnte die Arbeiterschaft davor, sich den kath. Arbeiterver. anzuschließen. Er gehörte dem Vorstand des ersten steir. Arbeiterbildungsver. an und trat nicht nur als Redner bei der ersten großen Arbeiterversmlg. 1869 auf, sondern unterstützte den Arbeiterstand auch durch Publ. von diversen Versmlg.berr. Die kath. Kirche, ihren Einfluss im Schulwesen und auf polit. Ebene sah Z. weiterhin als Hauptgegner. Die Behörden scheuten zwar lange vor gerichtl. Verfolgung der „Freiheit“ zurück, ab 1869/70 wurde das Bl. aber immer häufiger konfisziert und Z. gerichtl verurteilt. Jede Konfiskation steigerte jedoch die Popularität der Ztg. und ihres Red. unter der akadem. Jugend und in der Arbeiterschaft, sodass die Aufl. innerhalb kurzer Zeit von 500 Stück auf 8.000 stieg (→Karl Emil Franzos veröff. etwa in der „Freiheit“ seinen ersten Roman). Im Dezember 1869 wurde Z.s Antrag auf Einbürgerung abgewiesen, im Jänner 1870 ordnete Statthalter →Guido Frh. Kübeck v. Kübau seine Ausweisung an, da sein ganzes Wirken auf die „Unterwühlung jeder Autorität, auf den Umsturz alles Bestehenden gerichtet“ sei. Z. übersiedelte zunächst nach Ödenburg, wo die „Freiheit“ von Mai bis Juni 1871 gedruckt wurde. Auf Intervention von →Karl Sigmund Gf. v. Hohenwart wurde er aber Ende September des Jahres auch von dort ausgewiesen und wechselte nach Passau, wo er 1872 das Bürgerrecht erhielt. I. d. F. verf. er mehrere religions- und regierungskrit. Broschüren, die sämtl. beschlagnahmt wurden. Im Februar 1873 erschien die „Freiheit“ erneut, diesmal in Wien, wurde aber wieder von der Presspolizei häufig beschlagnahmt. Im Juni 1874 musste sich Z. krankheitsbedingt vom Bl. zurückziehen und übersiedelte an den Chiemsee.

Weitere W.: Pfaffenpeitsche, 2 Bde., 1870; Peitschenhiebe auf hochwürdige und sonstige würdige Felle, 1871; Drei Viertel auf Zwölf, 1871; Aus meinem „Katechismus“, 1871; Nachtschatten, 1871; Steckbriefe hinter Spitzeln und Jesuiten, 1872; Märzveilchen, 1872; Wildes und Mildes, 1872.
L.: Die Presse, 13. 7. 1864, 22. 3. 1874; Tagespost (Graz), 31. 3. 1868, 18. 10. 1877; Grazer Volksbl., Morgen-Post, NFP, 28. 12. 1879; Habsburgermonarchie 4, S. 614; Wurzbach; Freiheit 3, 1870, S. 6; J. Bunzel, Die Anfänge der modernen Arbeiterbewegung in der Stmk., 1913, S. 59ff., 101; E. Staudinger, Die Bildungs- und Fachver. der Arbeiter in der Stmk. von 1848 bis 1873, geisteswiss. Diss. Graz, 1977, S. 319ff.; W. Wadl, Liberalismus und soziale Frage in Österr., 1987, S. 122f.; K. Miersch, E. Kaler-Reinthal, 1992, S. 34ff.; HHStA, KA, beide Wien; Stadtarchiv Alsfeld, Stadtarchiv Darmstadt, beide D.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 545f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>