Zindler, Konrad (1866–1934), Mathematiker

Zindler Konrad, Mathematiker. Geb. Laibach, Krain (Ljubljana, SLO), 26. 11. 1866; gest. Innsbruck (Tirol), 18. 6. 1934; röm.-kath. Sohn des aus Österr.-Schlesien stammenden späteren Gymn.prof., Gymn.dir. und Landesschulinsp. Dr. Johann Z. (gest. Torbole, Tirol/I, 10. 8. 1913, begraben: Innsbruck) und der Johanna Z., geb. Luscher (gest. 1872). – Nach Absolv. der Realschule besuchte Z. 1877 einen Monat das Gymn. in Görz und danach das 1. Staatsgymn. in Graz. Ab 1885 stud. er an der dortigen Univ. Mathematik bei Viktor v. Dantscher, Physik bei →Ludwig Boltzmann, Phil. bei →Alexius Meinong v. Handschuchsheim sowie Astronomie und Chemie; 1890 Dr. phil. sub auspiciis Imperatoris mit der Diss. „Zur Theorie der Netze und Configurationen“ (in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 98, Abt. 2a, 1889) und Lehramtsprüfung für Mathematik und Physik. Daneben bildete sich Z. ein Jahr an der TH Graz in darstellender Geometrie weiter. Bereits als Student und begabtester Schüler von Meinong v. Handschuchsheim hatte er „Beiträge zur Theorie der mathematischen Erkenntnis“ (in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 118, 9, 1889) verf., für die er 1887 den Wartingerpreis verliehen bekam und in denen es um aprior. Erkennen geht. 1890–91 vertiefte Z. seine Kenntnisse bei den Mathematikern Leopold Kronecker, Lazarus Fuchs, Johannes Knobloch, Georg Hermann Hettner, →Ludwig Schlesinger sowie Paul du Bois-Reymond in Berlin. 1891 kam er als Ass. für darstellende Geometrie zu →Karel Pelz an die TH Graz, wo er sich mit den Arbeiten von Sophus Lie auseinandersetzte. 1893 habil. sich Z. an der phil. Fak. der Univ. Graz mit „Nachweis linearer Mannigfaltigkeiten beliebiger Dimension in unserem Raume ...“ (in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 101, Abt. 2a, 1892) für synthet. Geometrie und las i. d. F. über Ausdehnungslehre samt Anwendungen. Anfang Oktober 1893 erhielt er eine Ass.stelle an der TH Wien zunächst bei →Josef Kolbe und dann bei →Moritz Allé. Z.s venia legendi wurde unter Erweiterung auf die gesamte Mathematik an die Univ. Wien, 1895 auch an die TH Wien übertragen. 1897/98 absolv. er das Probejahr für Gymn.lehrer an der Theresian. Akad. in Wien, 1898 legte Z. die Erweiterungsprüfung für Phil. in Graz ab. Die hierfür ausgearbeitete Hausarbeit bildete den Grundstein für seinen Aufsatz „Ueber räumliche Abbildungen des Continuums der Farbempfindungen und seine mathematische Behandlung“ (in: Z. für Psychol. und Physiol. der Sinnesorgane 20, 1899). 1898/99 lehrte Z. als Supplent an der Theresian. Akad., 1900 wurde er als ao. Prof. auf die damals III., neu eingerichtete Professur für Mathematik nach Innsbruck berufen; 1904 o. Prof. an der I. Lehrkanzel der Univ. Innsbruck als Nachfolger →Wilhelm Wirtingers, 1913/14 Dekan der phil. Fak. 1930 trat Z. aus gesundheitl. Gründen i. d. R., war jedoch weiter als Hon.prof. tätig. In seiner Grazer Zeit wandte sich Z. anfangs der Phil., später immer mehr der Mathematik zu, wobei sein bevorzugtes Gebiet zunächst die synthet. Geometrie, dann die Liniengeometrie war. 1902 publ. Z. den 1. Bd. eines der zu seiner Zeit meistverbreiteten Lehrbücher auf diesem Gebiet „Liniengeometrie mit Anwendungen“, 1906 folgte Bd. 2 (beide Bde. Reprint 2019). Erwähnenswert ist zudem sein Beitr. „Algebraische Liniengeometrie“ in der „Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften“ (Bd. 3, 1923). Nach ihm ist die Z.kurve benannt, wobei es ihm gelang, konvexe Kurven ohne Mittelpunkt nachzuweisen und diese Erkenntnis auch auf konvexe Körper zu übertragen („Über konvexe Gebilde“, 3 Tle., in: Monatshe. für Mathematik und Physik 30–32, 1920–22). Zu seinen Schülern zählten Karl Mayrhofer, Gustav Lochs, Martin Kofler, Johann Pölt, Heinrich Graziadei, Silvius Rossi, Rudolf Ernst v. Wartburg, Lukas Schaller und Peter Lehmann. Z. war ab 1927 k. M., ab 1928 w. M. der Akad. der Wiss. in Wien, weiters o. Mitgl. des Naturwiss.-Med. Ver. Innsbruck (1911/12 Vorstand, 1912/13 Vorstandsstellv.). 1889 trat er in den Akadem. Gesangver. in Graz ein. Z., ein meisterhafter Schachspieler, war Mitgl. und Obmann des Innsbrucker Schachklubs. Nach ihm sind die Z.’schen Springer benannt („Gedanken über das Raumschach“, in: Mitt. über Raumschach und wiss. Schachforschung 1910, ed. Ferdinand Maack, 1911).

Weitere W.: s. Poggendorff; Wirtinger, 1935; Peppenauer; Ottowitz. – Nachlass: UA, Innsbruck, Tirol.
L.: Sbg. Volksbl., Tiroler Anzeiger, 19. 6., Innsbrucker Nachrichten, 18. 12. 1934; W. Wirtinger, in: Almanach Wien 85, 1936, S. 223ff. (m. B.); Poggendorff 4–6 (m. W.), 7a; F. Krones v. Marchland, in: FS zur Feier der Schlußsteinlegung des neuen Hauptgebäudes der Grazer Univ. ... 1895, 1895, S. 99f.; W. Wirtinger, in: Monatshe. für Mathematik 42, 1935, S. 215ff. (m. W.); H. Peppenauer, Geschichte des Stud.faches Mathematik an der Univ. Wien von 1848–1900, phil. Diss. Wien, 1953, S. 311ff., 402, 461ff. (m. W.); Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Phil. Fak. zu Innsbruck bis 1945, ed. F. Huter, 1971, s. Reg.; J. Hoschek, in: Manuscripta mathematica 13, 1974, S. 175ff.; A. Aigner, Das Fach Mathematik an der Univ. Graz, 1985, s. Reg.; N. Ottowitz, Der Mathematikunterricht an der TH in Wien 1815–1918, 2, 1992, S. 369ff. (m. B. u. W.); J. Bracho u. a., in: Periodica Mathematica Hungarica 49, 2004, S. 1ff.; A. Grüne, Geometric Dilation and Halving Distance, naturwiss. Diss. Bonn, 2008, S. 81ff.; B. G. Merino u. a., in: Journal of Approximation Theory 237, 2019, S. 154, 159; M. Bialy u. a., in: Journal of Geometry and Physics 154, August 2020, S. 1, 6f., 14; ÖAW, TU, UA, alle Wien; UA, Graz, Stmk.; UA, Innsbruck, Tirol.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 549f.
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