Zingerle von Summersberg, Ignaz Vinzenz Edler (1825–1892), Schriftsteller, Germanist und Volkskundler

Zingerle von Summersberg Ignaz Vinzenz Edler, Schriftsteller, Germanist und Volkskundler. Geb. Meran, Tirol (Meran/ Merano, I), 6. 6. 1825 (Taufdatum); gest. Innsbruck (Tirol), 17. 9. 1892; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Bartlmä Tobias Zingerle und von Maria Zingerle, geb. Jordan, Neffe von →Pius Zingerle, Bruder von →Anton Zingerle und Josef Zingerle, Onkel von →Hermann Zingerle und →Josef Zingerle, Vater von Oswald Z. Edler v. S. (s. u.) und dem Romanisten Wolfram Z. Edler v. S. (geb. Innsbruck, 19. 2. 1854; gest. ebd., 8. 5. 1913); in 1. Ehe mit Bettina, geb. Baumgartner (gest. 1852), in 2. Ehe mit Anna, geb. v. Kripp (gest. 1855), in 3. Ehe mit Maria Theresia, geb. v. Kripp, verheiratet. – Nach dem Besuch des Benediktinergymn. absolv. Z. die phil. Jgg. in Trient und Innsbruck und begann 1844 ein Theol.stud. in Brixen. 1845/46 war er Novize im Benediktinerstift Marienberg, 1847 erhielt er die niederen Weihen. Er wirkte 1848–58 als Gymn.lehrer in Innsbruck sowie 1858/59 als Dir. der Univ.bibl. ebd. Schriftsteller. tätig, war Z. in der Tiroler Literaturszene aktiv, seine Lyrik blieb dabei recht konventionell. Als Sammler (teils mit seinem Bruder Josef) von Tiroler Sagen, Märchen und Bräuchen, die er mytholog. deutete, wurde er, nach den Worten Hermann Wopfners, zum Begründer der Tiroler Volkskde. Vorwiegend aufgrund dieser Smlgg. knüpfte er Kontakte mit Jacob und Wilhelm Grimm. 1856 verlieh ihm die Univ. Tübingen (wo er jedoch nie stud. hatte) für seine Arbeit „Die Oswaldlegende und ihre Beziehung zur deutschen Mythologie“ (1855) das Doktorat. 1859 erfolgte seine Berufung zum (ersten) Prof. der Germanistik in Innsbruck durch den Minister, nachdem es 1851 nicht zur von der Fak. gewünschten Bestellung →Adolf Pichler v. Rautenkars gekommen war; Z.s Kirchennähe könnte den Ausschlag für diese Wahl gegeben haben. Seine Forschungen v. a. zur Literatur des Mittelalters in Tirol förderten viel Unbekanntes zutage. Er veröff. zahlreiche Aufsätze in den maßgebenden Fachz. Den method. Neuerungen von →Wilhelm Scherer verschloss er sich. Z. war Anreger der Sprachinselforschung, propagierte die (inzwischen allg. bezweifelte) Lokalisierung des Geburtsorts Walthers von der Vogelweide in Südtirol und engag. sich für die Errichtung des Walther-Denkmals in Bozen (1889). Das von ihm 1880 gekaufte Schloss Summersberg in Gufidaun wurde zum Mittelpunkt eines spätromant.-patriot.-„altdeutschen“ Freundeskreises, der Walther-Akad. Schüler Z.s waren die Literaten →Johann Georg Obrist, →Franz Kranewitter und →Joseph Seeber sowie die Germanisten →Joseph Eduard Wackernell und P. →Anselm Salzer. 1890 wurde Z. mit dem Zusatz „Edler von Summersberg“ nob. Sein Nachlass befindet sich im Tiroler Landesmus. Ferdinandeum und im Brenner-Archiv der Univ. Innsbruck. Er war ab 1867 k. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien. Sein Sohn, der Germanist Oswald Z. Edler v. S. (geb. Innsbruck, 8. 2. 1855; gest. ebd., 30. 1. 1927; röm.-kath.), veröff. schon als Gymnasiast mit seinem Bruder, wohl auf Anregung Z.s, pseudonym „Deutsche Haussprüche aus Tirol“ (1871). Sein Stud. absolv. er in Innsbruck (klass. Philol.) und Erlangen (Germanistik), wo er 1878 bei Elias v. Steinmeyer über Friedrich v. Sonnenburg prom. Nach einem Stud.aufenthalt in Berlin habil. er sich 1882 für dt. Sprache und Literatur an der Univ. Graz, 1892 wurde er ao., 1894 o. Prof. in Czernowitz. 1919 kam es zur erzwungenen Rückkehr nach Österr., danach lehrte er gelegentl. in Graz. Zeitlebens hielt er sich häufig auf dem Familiensitz Gufidaun auf. Seine Veröff., auch in angesehenen Fachz., darunter mehrere Ed., betreffen zu einem guten Teil die spätmittelalterl. Literatur Tirols. Zudem verf. er viele kleine Beitrr. zur Tiroler Volkskde. Seine bedeutendste Leistung ist die philolog. exakte Ed. der Urbare Meinhards II. (1890). Sein Forschungsschwerpunkt lag auf Realien des Mittelalters („Mittelalterliche Inventare aus Tirol und Vorarlberg“, 1909). Oswald Z. stand stets im Schatten seines Vaters, der sich sehr um seine Karriere bemühte.

Weitere W. (s. auch Wurzbach; Internationales Germanistenlex.; LiteraturTirol): Ged., 1853; Die dt. Sprichwörter im Mittelalter, 1864. – Ed.: Sagen aus Tirol, 1850; Kinder- und Hausmärchen aus Tirol, 1852, 3. Aufl. 1911; Sitten, Bräuche und Meinungen des Tiroler Volkes, 1857, 2. Aufl. 1871; H. Vintler, Die pluemen der tugent, 1874; Die Tirol. Weisthümer, 4 Bde., 1875–81 (gem. m. K. Th. Inama-Sternegg).
L.: Tiroler Anzeiger, 8. 7. 1932; ADB; Brümmer; Kosch; Nagl–Zeidler–Castle 3–4, s. Reg. (m. B.); Wurzbach (m. W.); R. Huber, in: Der Schlern 6, 1925, S. 337ff.; L. Wagner, I. V. Z., phil. Diss. Innsbruck, 1962; H. Rogenhofer-Suitner, in: Mitt. aus dem Brenner-Archiv 8, 1989, S. 44ff. (m. B.); Walther. Dichter und Denkmal, ed. O. Egger – H. Gummerer, 1990, s. Reg.; Mitt. aus dem Brenner-Archiv 11, 1992, S. 6ff.; H. Rogenhofer-Suitner, I. V. Z. 1825–1892, 1992; Internationales Germanistenlex. 1800–1950, 3, 2003 (m. W.); G. Pfaundler-Spat, Tirol-Lex., neubearb. Aufl. 2005; 150 Jahre Germanistik in Innsbruck, ed. S. P. Scheichl, 2009, S. 39ff.; S. P. Scheichl, in: Mitt. aus dem Brenner-Archiv 29, 2010, S. 25ff.; Ch. Aichner, Die Univ. Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–60, 2018, S. 293ff.; LiteraturTirol (online, m. B. u. W., Zugriff 30. 12. 2021); Pfarre Meran-St. Nikolaus, I. – Oswald Z.: Tiroler Anzeiger, 5. 2. 1924; Innsbrucker Nachrichten, 1. 2. 1927; Wurzbach; R. Huber, in: Der Schlern 8, 1927, S. 69ff.; H. Wopfner, in: Tiroler Heimat 9, 1927, S. 67ff.; Vom Seminar für dt. Philol., Univ. Graz zum Inst. für Germanistik, Karl-Franzens-Univ. Graz, ed. B. Müller-Kampel – R. Müller, Graz 1994, S. 88f. (Kat.).
(S. P. Scheichl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 554f.
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