Zingerle, Josef (1868–um 1947), Epigraphiker und Altertumswissenschaftler

Zingerle Josef, Epigraphiker und Altertumswissenschaftler. Geb. Trient, Tirol (Trento, I), 14. 4. 1868; gest. Wien, 27. 2. 1947 (begraben: Innsbruck); röm.-kath. Sohn von →Anton Z. und Anna Z., geb. Lusenberger, Neffe von →Ignaz Vinzenz Z. Edler v. Summersberg, Bruder von →Hermann Z. – Wie sein Bruder entwickelte Z. ein starkes Interesse für Med., stud. jedoch auf Wunsch des Vaters 1886–90 v. a. klass. Philol. und Alte Geschichte an der Univ. Innsbruck, wobei er durchgehend auch med. Vorlesungen besuchte. Nach seiner Prom. zum Dr. phil. und der Lehramtsprüfung (klass. und dt. Philol.) 1891 wechselte er nach Wien, wo er 1892–94 als Bibliothekar am Archäolog.-Epigraph. Seminar der Univ. Wien wirkte und sich dort fachl. fortbildete. Weitere zwei Jahre verbrachte er mittels eines staatl. Reisestipendiums in Italien, Griechenland, Frankreich und England. 1896–98 war Z. Ass. an der archäolog. Smlg. bei →Friedrich August Otto Benndorf an der Univ. Wien; 1898 nahm er an den Ausgrabungen in Ephesos und an einer Expedition der k. Akad. der Wiss. in Wien nach Lykien mit →Rudolf Heberdey und →Ernst Kalinka teil. Ab 1900 war er als Nachfolger Kalinkas prov. Hilfskraft am Österr. Archäolog. Inst. (ÖAI) und beteiligte sich 1901 neuerl. an den Grabungen in Ephesos. 1901–02 als prov. Sekr. dem ÖAI in Athen zugeteilt, wurde er 1902 Nachfolger →Eduard Hulas als Sekr. des ÖAI in Wien. 1908 erfolgte eine zweite Teilnahme an einer Expedition der k. Akad. der Wiss. nach Lykien, war er doch Mitarb. an den nicht nur Lykien betreffenden Bde. der „Tituli Asiae Minoris“. 1913 wurde er Vizedir. des ÖAI und 1934 i. d. R. versetzt, blieb jedoch weiterhin wiss. tätig. Als Epigraphiker beschäftigte sich Z. auch mit Vasenbildern und provinzialröm. Kunst im Bereich der griech. Altertumskde. Die griech. Inschriften dienten ihm als Quelle zur Religionsgeschichte („Zu griechischen Reinheitsvorschriften“, in: Bulićev zbornik, ed. Mihovil Abramić – Viktor Hoffiller, 1924), auch mag. Formeln galt seine bes. Aufmerksamkeit. Immer wieder widmete er sich zudem med.hist. Themen („Ein Fall von Kindertuberkulose vor 1700 Jahren“, in: Z. für Kinderheilkde. 46, 1928). Ferner interessierte er sich für Sprachwiss. und erwies zuvor als phryg. angesehene Inschriften als griech. („Phrygisches Griechisch“, in: Anzeiger der Akad. der Wiss. in Wien, phil.-hist. Kl. 60, 1924). Z. wirkte als Red. der Jahreshe. des ÖAI und anderer vom ÖAI hrsg. Publ. und veröff. zahlreiche Abhh. in den Jahreshe. des ÖAI, in „Glotta“, den „Wiener Studien“, „Commentationes Vindobonenses“, im „Philologus“, in „Klio“, in den „Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung“ sowie im „Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete“. Er war ab 1927 k. M., ab 1939 (Wahl bereits 1938) o. Mitgl. bzw., nach der Befreiung Österr., w. M. der ÖAW. Ab 1933 gehörte er der Komm. für die archäolog. Erforschung Kleinasiens, ab 1934 der Komm. zur Erforschung des röm. Limes, zunächst im Gebiete von Ober- und Niederösterr. bzw. (ab 1938) zunächst im Gebiete von Ober- und Niederdonau der Akad. der Wiss. in Wien an. Er wurde 1913 o. Mitgl. des Dt. Archäolog. Inst. Ferner war er Reg.Rat (1910), HR (1922), erhielt 1918 der Orden der Eisernen Krone III. Kl. und 1933 das Große silberne Ehrenzeichen.

Weitere W.: s. Praschniker; Wlach; Schauer.
L.: Tiroler Tagesztg., 30. 4. 1947; C. Praschniker, in: Almanach Wien 97, 1948, S. 287ff. (m. W.); R. Meister, Geschichte der Akad. der Wiss. in Wien 1847–1947, 1947, s. Reg.; G. Dobesch, in: Die epigraph. und altertumskundl. Erforschung Kleinasiens, ed. G. Dobesch – G. Rehrenböck, 1993, S. 16f.; M. Wörrle, ebd., S. 357ff.; F. Graf-Stuhlhofer, in: Österr. in Geschichte und Literatur 40, 1996, S. 128; G. Wlach, in: 100 Jahre Österr. Archäolog. Inst. (1898–1998), 1998, S. 122f. (m. tw. W.); Ch. Schauer, in: Hundert Jahre Österr. Archäolog. Inst. Athen 1898–1998, ed. V. Mitsopoulos-Leon, 1998, S. 25, 31, 38f. (m. tw. W.); J. Feichtinger – D. J. Hecht, in: Die Akad. der Wiss. in Wien 1938 bis 1945, ed. J. Feichtinger u. a., Wien 2013, s. Reg. (Kat.); A. Rostad, Human Transgression – Divine Retribution, 2020, passim; ÖAW, Österr. Nationalbibl. / Smlg. von Hss. und alten Drucken, beide Wien.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 552f.
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