Zingerle, Pius (Jakob) (1801–1881), Orientalist und Theologe

Zingerle Pius (Jakob) OSB, Orientalist und Theologe. Geb. Meran, Tirol (Meran/Merano, I), 17. 3. 1801; gest. Stift Marienberg, Tirol (Stift Marienberg/Abbazia di Marienberg, I), 10. 1. 1881; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Joseph Thomas Z. und dessen Frau Maria Anna Z., geb. Neunhäuserer, Onkel von →Anton Z. und →Ignaz Vinzenz Z. Edler v. Summersberg. – Z. besuchte 1810–16 das Benediktinergymn. in Meran, stud. 1818–23 Theol. (einschließl. mehrerer oriental. Sprachen) in Innsbruck und erlangte die Lehrbefähigung für Gymn. 1820 trat er in das Benediktinerstift Marienberg ein und legte 1822 die ewigen Gelübde ab; 1824 Priesterweihe in Brixen, Primiz in Meran. Wichtige Impulse für Z.s Entwicklung zum Orientalisten setzten die Prof. →Andreas Feilmoser und →Jakob Probst. Durch vertiefende Sprachstud. (Syr., Arab., Pers., Armen.) erarbeitete er sich als Autodidakt einen breiten Wissensfundus. Als Primissarius in Platt im Passeiertal (1824–27) begann er eine intensive Übers.tätigkeit. 1827–72 wirkte Z. als Prof. (1851–62 auch als Dir.) am stiftseigenen Gymn. in Meran und bildete zusammen mit →Beda Weber und →Albert Jäger das „Marienberger Dreigestirn“. Seiner Lehrtätigkeit, die er zunächst 1837–39 als Kooperator von St. Martin in Passeier unterbrach, kam er mit Geduld und Einfühlungsvermögen nach. Es gelang ihm, Schule und Wiss. so miteinander zu verbinden, dass er auch in der akadem. Welt große Anerkennung genoss. Er pflegte regen Briefkontakt mit Orientalisten internationaler Provenienz. Berühmtheit weit über seinen Wirkungsbereich hinaus erlangte Z. als Syrologe. Durch seine philolog. Arbeiten wurde er zu einem bedeutenden Vermittler syr. Literatur im Okzident. Sein Hauptwerk „Ausgewählte Schriften des heiligen Kirchenvaters Ephräm. Aus dem Syrischen und Griechischen übersetzt“ (6 Bde.) erschien 1830–37. In den Smlgg. „Harfenklänge vom Libanon“ (1840), „Festkränze aus Libanons Gärten“ (1846) und „Marien-Rosen aus Damaskus“ (1853, 2. Aufl. 1855) übertrug er geistl. Lyrik aus dem Syr. und Griech. Übers. kürzeren Umfangs (darunter Spruchdichtung) erstellte er aus dem Arab., Pers. und Armen. Simeon dem Säulenheiligen widmete er eine Monographie („Leben und Wirken des heiligen Simeon Stylites“, 1855). Z. publ. zahlreiche Aufsätze in wiss. Z., in denen er u. a. formale Aspekte der syr. Literatur oder Fragen zu Metrik und Reim behandelte. Zudem beschäftigte er sich mit den Werken des Kirchenvaters Jakob von Sarug, war daneben auch als Theologe publizist. tätig und verf. zahlreiche Ged. 1862 ernannte Papst Pius IX. Z. zum Prof. der arab. Sprache an der Sapienza in Rom. Zudem wurde er Consultor der Congregatio de propaganda Fide pro negotiis ritus orientalis und Scriptor an der Vatikan. Bibl. Frucht der Arbeit an den dort aufbewahrten syr. Codices waren die „Monumenta Syriaca ex Romanis codicibus collecta“ (Bd. 1, 1869). Aufschluss über seinen Alltag in Rom gibt ein „Römisches Tagebuch“ (Ms., Stift Marienberg, in Auszügen ed. von Martin Angerer, in: Der Schlern 75, 2001, H. 11). 1865 kehrte Z. nach Marienberg zurück und nahm die Unterrichtstätigkeit in Meran wieder auf. Er wurde zum Subprior gewählt und wirkte i. d. F. als Lektor für Altes Testament und oriental. Sprachen an der theol. Hauslehranstalt, blieb daneben jedoch weiterhin wiss. tätig: 1871 brachte er seine „Chrestomathia Syriaca“ heraus, 1873 folgte das dazugehörige „Lexicon Syriacum“. Z. war k. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien (1871), Mitgl. der Dt. Morgenländ. Ges. in Leipzig (1848) sowie der Société Asiatique in Paris (1857) und Dr. h. c. der Univ. Freiburg im Breisgau (1857), Innsbruck (1871) sowie Wien (1871). 1862 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W. (s. auch Kollmann): Echte Akten h. Märtyrer des Morgenlandes, 1836; Ueber die syr. Poesie, in: Theol. Quartalschrift 37, H. 3, 1855; Ueber die morgenländ. Elemente in der dt. Poesie, in: Programm des k. k. Gymn. in Meran, 1862; Sechs Homilien des hl. Jakob von Sarug, 1867. – Nachlass: Stiftsarchiv Marienberg, I.
L.: ADB; Almanach Wien 31, 1881, S. 158ff.; LThK; Scriptores OSB; Wurzbach; Der Alpenfreund 3, 1871, S. 108ff. (m. B.); (N. Stock), in: Dt. Hausschatz in Wort und Bild 7, 1880–81, S. 394ff. (m. B.); Wetzer und Welte’s Kirchenlex., 1901; J. Knobloch, in: Jb. des Südtiroler Kulturinst. 2, 1962, S. 356ff. (m. B.); M. Breydy, in: Orientalia Witto-Herdeckiana, R. 1, 1, 1988, S. 29ff.; M. Angerer, in: Stud. und Mitt. zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 112, 2001, S. 461ff. (m. B.); O. Kollmann, P. Z., 2015 (m. B. u. W.); O. Parteli, in: Der Schlern 90, 2016, H. 7/8, S. 51ff. (m. B.); Pfarre Meran-St. Nikolaus, I.
(O. Kollmann)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 553
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