Zöllner, Filipp (1783–1863), Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor

Zöllner Filipp, Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor. Geb. Hainburg (Hainburg an der Donau, NÖ), 11. 4. 1783; gest. Pilsen, Böhmen (Plzeň, CZ), 15. 2. 1863. Sohn von →Friedrich Z. und Anna Maria, geb. v. Morisch, Vater der Schauspielerinnen Katharina (?), verehel. Melchior, Elise, verehel. Szathmáry (geb. 1806?; gest. Lemberg, Galizien / L’viv, UA, 1862), Marie, verehel. Raab (geb. 1813; gest. Wien ?, 20. 6. 1886), Christina, verehel. Ebell, Josefine, verehel. Haller, Emma, verehel. Biedermann (geb. 1820?; gest. Wien, 1910) und des Schauspielers Friedrich Z. (geb. Ofen / Budapest, H, 1827; gest. Saaz, Böhmen / Žatec, CZ, 1. 3. 1853); in 1. Ehe mit der Schauspielerin Josefina, geb. Pauli (geb. Graz ?, 1783; gest. Wien, 16. 5. 1858), in 2. Ehe ab 1861 mit →Eliška Zöllnerová verheiratet. – Z. soll schon ab 1792 in ung. und dt. Kinderrollen in Pest, 1801 in Eperies, 1804 in Fünfkirchen, später in Pressburg gespielt haben. Um 1807 lud ihn angebl. Peter Baron v. Braun, Mitgl. der Kavalierdion. des Theaters an der Wien, zu einem Auftritt ein. 1808 spielte Z. in Znaim, 1809 in Raab, wohin er mit seiner Frau gegangen war. Als Schauspielertypus gehörte Z. von Jugend an zu jenen Komikern, die die Grenze des Natürlichen nie überschritten. Er war ein guter Sänger und hatte parodist. Talent. Zu seinen besten Rollen zählten jene des Zwirn (Nestroy, „Lumpazivagabundus“), Valentin (Raimund, „Der Verschwender“), Rappelkopf (Raimund, „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“), aber auch Papageno (Mozart, „Die Zauberflöte“). Er blieb jedoch nur selten in längerem Engagement und verließ seinen Wirkungsort oft nach einer Saison. In unregelmäßigen Intervallen stellte er Theaterges. zusammen, deren Kern meist die Mitgl. seiner Familie bildeten. Sehr erfolgreich waren seine Perioden als Schauspieler und Dir. in Kaschau (1811–12, 1813–16 und 1818–19). Zusammen mit seiner Frau baute er schrittweise Garderobe und Bibl. sowie ein Repertoire auf, das neben Possen und Schauspielen mit Gesang auch anspruchsvolle dramat. und musikal. Werke bot (Shakespeare, Goethe, Schiller, Lessing, Scribe, Goldoni, Salieri, Cherubini, Rossini, Mozart). 1813 gab er für die Mitarb. eine Theaterordnung heraus. Als Dir. war er für seine soliden und korrekten Verhh. geschätzt. 1820–30 pendelte er zwischen den dt. Bühnen in Ungarn, insbes. den gem. Theatern in Pest und Ofen: 1822 wurde er Dir. in Pest mit einem Vertrag bis 1825, hatte aber schon 1823 seine finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft und übergab die Leitung einer Gruppe von Aktionären. Ab 1824 Theaterdir. in Ofen, scheiterte er finanziell ebenfalls nach einem Jahr. Nach Ansicht der Presse konzentrierte er sich zu sehr auf das Komödiengenre (er schrieb selbst einige kleine Stücke), unterschätzte das zeitgenöss. Schaffen und nahm mehr Personal auf, als er bezahlen konnte. Seine Töchter machten sich schrittweise selbstständig. Nach der Choleraepidemie 1831 gründete Z. neuerl. eine kleine Ges. und arbeitete mit →Franz Pokorny zusammen. Nach einem Benefiz 1838 trat er in dessen Dienst als Schauspieler und Regisseur im Theater in der Josefstadt, verließ Wien aber schon nach einer Saison. Anschließend ging er mit seiner Ges. nach Pest, kehrte 1845 zu Pokorny zurück und blieb bis zu dessen Tod 1850. Da er keine Möglichkeit sah, sich gegen die große Konkurrenz zu behaupten, beschloss er, mit seinem Sohn Friedrich und einer kleinen Ges. nach Böhmen zu gehen. Seine Frau Josefina ließ er in Wien zurück. Auf der Suche nach Publikum in den dt. Gebieten machte er im Sommer 1851 in Königgrätz Station, das über eine große Garnison verfügte. Mit Hilfe von Josef Štandera ließ er eine hölzerne Arena errichten, in der er mit 16 Schauspielern bis Mai 1852 dt. Vorstellungen gab. Anschließend bereiste er Böhmen. Nach dem Tod seines Sohns Friedrich löste er die Ges. auf und ging nach Prag, wo ihn →Johann August Stöger inoffiziell als Regisseur der Parodien, Ausstattungsstücke und Possen in der Sommerarena beschäftigte. Zu dieser Zeit suchte →Josef Kajetán Tyl für sich und eine Gruppe tschech. Schauspieler Betätigung. Da er aus polit. Gründen selbst keine Konzession erhielt, ersuchte er Z., auf Basis seiner ungenutzten Konzession eine tschech. Schauspielges. zu gründen. Z. sprach gebrochenes Tschech. (seine einzige Rolle im tschech. Repertoire blieb jene des Jirka in →Jan Nep. Štěpáneks Komödie „Čech a Němec“), stimmte aber nach kurzen Verhh. zu. Unter Štanderas ökonom. und Tyls künstler. Leitung veranstaltete Z.s Ges. von 1853 bis zu Tyls Tod 1856 Theatervorstellungen in Mittel-, Ost- und Südböhmen. Sie trug bedeutend zur Hebung des tschech. Theaterwesens, zur Ausbildung tschech. Schauspieler, aber auch zur Heranbildung des Publikums bei. Als Z. nach Tyls Tod keinen künstler. Dir. fand, übernahm er selbst die Regie und leitete die Ges. im Geist des Letzteren. 1863 wurde er auf eigenen Wunsch in einem Grab neben Tyl beigesetzt.

W.: Nigilibigilis. Humorist. Spaziergänge durch die Welt, oder Der falsche Lewin. Lokale Zauberposse ... (Einleitung), in: Allg. Theaterztg. … 15, 1822, Nr. 81; Das Geisterschloss (gem. m. L. Schätzel, Musik: J. Grill).
L.: ČHS; Eisenberg, Bühne; Wurzbach; Wr. Z. für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 1825, S. 383; Allg. Theaterztg. … 26, 1833, S. 587f.; Die Warte an der Donau 22, 1840, Nr. 196; J. L. Turnovský, J. K. Tyl, 1880, S. 548; J. Knap, Zöllnerové, 1958, bes. S. 19ff.; Dt. Theater in Pest und Ofen 1770–1850, ed. H. Belitska-Scholz – O. Szomojai, 1995, S. 1215; G.-N. Tar, Dt.sprachiges Kindertheater in Ungarn im 18. Jh., 2012, s. Reg.; Česká činohra 19. a začátku 20. století 2, red. E. Šormová, 2015; Enc. dějin města Brna (online, Zugriff 1. 3. 2022); Národní muz. Praha, CZ.
(J. Ludvová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 570f.
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