Zschokke, Hermann (1838–1920), Weihbischof und Theologe

Zschokke Hermann, Weihbischof und Theologe. Geb. Böhm. Leipa, Böhmen (Česká Lípa, CZ), 16. 6. 1838; gest. Wien, 23. 10. 1920 (begraben: Tullnerbach, NÖ); röm.-kath. Sohn des Kürschnermeisters Friedrich Z. und der Magdalena Z., geb. Stocklöb. – Z. trat 1857 in das Priesterseminar in Wien ein und erhielt 1861 – dem Jahr seiner Immatrikulation an der Univ. – die Priesterweihe. Anschließend war er als Kooperator in Staatz (1861/62) und an der Kirche Am Hof in Wien (1862/63) tätig. 1862 unterzog er sich als Bewerber um die Lackenbacher. Prämienstiftung der Konkursprüfung aus dem Hebr. und Arab.; 1863 Dr. theol. sowie Ernennung zum Rektor des neu gegr. österr. Pilgerhauses in Jerusalem. Sein Aufenthalt in Palästina (bis 1866) bot Z. Gelegenheit, seine Kenntnis der oriental. Sprachen zu vervollkommnen und sich mit der bibl. Topographie, Geographie und Archäol. vertraut zu machen. Er bereiste neben Palästina Syrien und Ägypten und publ. die Ergebnisse seiner Forschungen in selbstständigen Werken und Artikeln. Die Verbindung zum Hospiz in Jerusalem blieb bis zu Z.s Lebensende bestehen: Nach einer Neuorganisation von dessen Verwaltung 1895 wurde er vom Wr. Fürsterzbischof zum Kurator des Hauses bestellt; 1912 Erhebung zum Prokurator des hl. Grabs in Wien durch den latein. Patriarchen von Jerusalem. 1866 kehrte Z. nach Wien zurück und fungierte vorerst als Kooperator in Lichtental, ehe er 1867 zum Hofkaplan und Stud.dir. am Frintaneum ernannt wurde (1870 Tit.-Hofkaplan); 1868 Supplent an der theol. Fak. der Univ. Wien, ab 1869 ao. Prof. der Lehrkanzel für semit. Sprachen und höhere Exegese des Alten Testaments und ab 1870 o. Prof. für Altes Testament; 1873 def. gestellt; 1872/73, 1878/79, 1883/84 und 1887/88 Dekan der theol. Fak., 1884/85 Rektor (in dieser Funktion auch Mitgl. des nö. LT). Z. unternahm zahlreiche Reisen in Europa und Nordamerika, über die er publ. 1881 wurde er zum fürsterzbischöfl. geistl. Rat ernannt, 1884 zum fürsterzbischöfl. Konsistorialrat, 1882 durch den Bischof von Leitmeritz zum bischöfl. Konsistorialrat. Mit Rücktritt vom Lehramt erfolgte 1892 Z.s Ernennung zum Domherrn Rudolfin. Stiftung am Metropolitankapitel zu St. Stephan in Wien, während ihm Kardinal →Anton Josef Gruscha die Dignität eines Domkantors verlieh. Seit seinem Eintritt in das Metropolitankapitel entfaltete Z. als Referent beim fürsterzbischöfl. Konsistorium und beim Diözesangericht, ab 1893 als Prosynodalexaminator und Koär. bei den sog. strengen Prüfungen zur Erlangung des theol. Dr.grads an der Univ. Wien eine umfassende Tätigkeit in Diözesanangelegenheiten. Der Verf. einer „Geschichte des Metropolitan-Capitels zum heiligen Stephan in Wien“ (1895) fungierte zudem als fürsterzbischöfl. Koär. der Karmelitinnen-Klöster zu Wien-Baumgarten und Mayerling sowie der Klosterfrauen von Notre Dame de Sion in Wien. 1900 wurde ihm die Prälatur verliehen und er avancierte im Metropolitankapitel zum Domkustos. Als solcher machte sich Z., der Mitgl. und 1903–20 Vizepräs. des Dombau-Ver. war, insbes. um die Reliquienschatzkammer verdient („Die Reliquienschatzkammer der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien“, 1904). 1910 wurde er zum Weihbischof mit dem Titel eines Bischofs von Cäsarea Philippi konsekriert und 1911 als Dompropst bei St. Stephan installiert (damit verbunden Ernennung zum Kanzler der theol. Fak. der Univ. Wien). 1888 wurde Z. auf die Stelle eines Beirats für die Angelegenheiten des kath. Kultus zur ao. Dienstleistung im Min. für Kultus und Unterricht berufen. Im Zuge seines dortigen Wirkens arbeitete Z. insbes. an der Reform des theol. Stud.- und Rigorosenwesens mit; ab 1899 Mitgl. des Kunstrats des Min., ab 1909 Mitgl. der Zentralkomm. für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und hist. Denkmale. 1919 wurde er beurlaubt. Bereits 1901 war er als Mitgl. auf Lebenszeit in das HH des RR berufen worden. Z. war Mitgl. mehrerer gelehrter Ges. und Akad. (1866 Akad. der unbefleckten Empfängnis in Rom, 1867 Geograph. Ges. in Wien, Dt. morgenländ. Ges. zu Leipzig-Halle) und in zahlreichen Ver. und karitativen Organisationen engag. (u. a. Präses des Werks der hl. Kindheit Jesu in der Monarchie, Vizepräses des Ver. der unbefleckten Empfängnis Mariens zur Unterstützung der Katholiken im Oriente, geistl. Konsulent des kath. Waisenhilfsver., 1892 Dion.mitgl. und 1900 Ehrenmitgl. der Leo-Ges.). Reg.Rat (1883), HR (1885), Sektionschef (1905) bzw. w. Geh. Rat (1912) Z. war Träger zahlreicher Ausz., u. a. Komturkreuz des Ordens vom hl. Grab (1884, Stern 1903), päpstl. Hausprälat (1884), Ritterkreuz des Leopold-Ordens (1889), Ehrenzeichen für Kunst und Wiss. (1894), Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens mit dem Sterne (1897), apostol. Protonotar ad instar participantium (1898), Dr. h. c. der Univ. Krakau (1900), Ehrenkonventualkaplan mit dem Goldkreuz des Malteserordens (1901) und Großkreuz des Franz Joseph-Ordens (1918).

Weitere W. (s. auch Archiv für die Geschichte der Soziol. in Österr.): Das neutestamentl. Emmaus, 1865; Führer durch das hl. Land …, 1868; Institutiones fundamentales linguae arabicae, 1869; Institutiones fundamentales linguae aramaicae …, 1870; Historia sacri Antiqui Testamenti, 1872 (mehrere Aufl.); Religiöse, sociale und häusl. Verhältnisse unter dem Einflusse des Islam, 1876; Reisebilder aus dem skandinav. Norden, 1877; Das Weib im Alten Testament, 1883; Die theol. Stud. und Anstalten der kath. Kirche in Österr., 1894; Die österr.-ung. Monarchie im Hl. Land, 1907.
L.: RP, 22. 10. 1921; Adlgasser; C. Wolfsgruber, Die k. u. k. Hofburgkapelle …, 1905, s. Reg.; Jb. des österr.-ung. Pilgerhauses … in Jerusalem 3, 1909, S. 24ff.; I. Fried, Das Metropolitankapitel zu St. Stephan … 1722–1900, phil. Diss. Wien, 1952, S. 187ff.; W. Kornfeld – Ch. Mann, in: Die Kath.-Theol. Fak. der Univ. Wien 1884–1984, ed. E. Ch. Suttner, 1984, S. 65ff.; H. Wohnout, Das österr. Hospiz in Jerusalem, 2000, s. Reg.; F. Schiemer, Eine Geschichte der Interdependenz …, phil. DA Wien, 2019, passim; B. Haider-Wilson, Österr. friedl. Kreuzzug 1839–1917, 2021, s. Reg.; 650 plus – Geschichte der Univ. Wien / Personen (online, m. B., Zugriff 13. 10. 2021); Archiv für die Geschichte der Soziol. in Österr. / Die Arbeitslosen von Marienthal / Biografien (online, m. B. u. W., Zugriff 28. 9. 2021); AVA, Diözesanarchiv, Domarchiv, Parlamentsarchiv, UA, alle Wien; Pfarre Česká Lípa, CZ.
(B. Haider-Wilson)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 583f.
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