Zuckerkandl, Emil (1849–1910), Anatom

Zuckerkandl Emil, Anatom. Geb. Raab (Győr, H), 1. 9. 1849; gest. Wien, 28. 5. 1910 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Döblinger Friedhof); mos. Sohn von Leon Z. (geb. Raab, 1819; gest. Wien, 22. 1. 1899) und Eleonore Z., geb. König (geb. Raab, 1828; gest. Wien, 28. 4. 1900), Bruder von →Otto Z., →Viktor Z., dem Wirtschaftswiss. und Prof. an der dt. Univ. Prag HR Robert Z. (geb. Raab, 3. 12. 1856; gest. Praha, Tschechoslowakei/CZ, 28. 5. 1926; mos.) und der Kunstsammlerin Amalie Redlich, geb. Z. (geb. Budapest, H, 18. 4. 1868; gest. Ghetto Litzmannstadt, Dt. Reich/PL, 1941, ermordet); ab 1886 verheiratet mit →Berta Z. – Nach zwei Kl. Realschule und dem Besuch des ref. Gymn. in Pest stud. Z. ab 1867 Med. an der Univ. Wien u. a. bei →Josef v. Skoda und 1869 als Demonstrator bei →Joseph Hyrtl, der seine Fähigkeiten auf anatom. Gebiet erkannte und zu einem prägenden Lehrer wurde. 1870–73 war Z. auf Hyrtls Empfehlung als Prosektor im Athenäum in Amsterdam tätig und vollendete anschließend sein Stud. in Wien. Bereits 1870 erregte er mit seiner Publ. „Beobachtungen über die Herzbeutelnerven und den Auricularis vagi“ (in: Sbb. Wien, math.-nath. Kl. 62) Aufsehen; 1874 Dr. med. Ab 1873/74 arbeitete Z. als Ass. bei →Karl Frh. v. Rokitansky und ab Anfang Oktober 1874 bei →Karl Langer v. Edenberg, bei dem er sein anatom. Wissen derart vertiefte, dass ihn die Fak. 1879 ohne Habil. zum ao. Prof. ernannte, nicht zuletzt auch deshalb, weil er bereits fast 60 Arbeiten veröff. hatte; 1882 o. Prof. für Anatomie an der Univ. Graz. Als Prof. für deskriptive und topograph. Anatomie bezog Z. 1888 das modern ausgestattete Anatomiegebäude der Univ. Wien und übernahm als Nachfolger Langer v. Edenbergs die Lehrkanzel für Anatomie; 1890/91, 1899/1900 und 1905/06 Dekan der med. Fak., setzte er sich insbes. dafür ein, dass Frauen zum Med.stud. zugelassen werden. Zu seinen Schülern zählte →Julius Tandler, der 1907 die Vorlesungen für den erkrankten Z. hielt. Z. galt als beliebter, humorvoller Prof. sowie ausgez. Beobachter und befasste sich mit fast allen Bereichen der Anatomie. Zu seinen Spezialgebieten gehörten bes. das Gehörorgan, die Nasenhöhle und die Zähne. Weiters untersuchte er das chromaffine Gewebe. Mit dem zweibändigen Werk „Normale und Pathologische Anatomie der Nasenhöhle und ihrer pneumatischen Anhänge“ (1892–93) wurde er zu einem Wegbereiter der Rhinol. Als eine seiner Hauptarbeiten gilt der fünfbändige „Atlas der topographischen Anatomie des Menschen“ (1900–04). Bereits zuvor hatte er „Cranien der Novara-Sammlung“ (in: Reise der österr. Fregatte Novara um die Erde. Anthropolog. Theil, 1875), „Zur Morphologie des Gesichtsschädels“ (1877), „Ueber eine bisher noch nicht beschriebene Drüse in der regio suprahyoidea“ (1879), die noch heute seinen Namen trägt, und „Über das Riechcentrum“ (1887) publ. Darüber hinaus verf. Z. Beitrr. in Hdbb. für Rhinologen, Stomatologen, Otologen, Laryngologen und Urologen. Das Haus des Ehepaars Z. war Treffpunkt der künstler. Avantgarde und der wiss. Elite. Zu den Gästen zählten u. a. →Hermann Bahr, →Gustav Klimt, →Arthur Schnitzler, →Otto Wagner sowie →Gustav Mahler, der dort seine spätere Frau Alma kennenlernte. Weiters engag. sich das Paar sozial und unterstützte das Wr. Volksbildungswerk. Ab den 1880er-Jahren legte Z. eine Kunstsmlg. an. Berühmtheit erlangte sein Vortrag über Kunstmotive aus der Anatomie. Z. war ab 1888 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina, ab 1898 k. M. und ab 1906 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien. Nach ihm sind das Z.-Organ, ein chromaffines Paraganglion im Bauchraum, die Z.-Faszie (Bindegewebshülle der Niere), das Z.’sche Tuberculum (retrotracheale Schilddrüsenanteile) und die von ihm entdeckten Z.’schen Körperchen benannt; 1899 HR.

Weitere W.: s. Inauguration; Stober.
L.: NFP, 28., 29. (Parte), Die Zeit, 28., 30., NWT, 29. (Parte), WZ, 30. 5. 1910; C. Toldt, in: Almanach Wien 61, 1911, S. 364ff.; Eisenberg 2; Inauguration Univ. Wien 1910/11, 1910, S. 39ff. (m. W.); Lesky, s. Reg. (m. B.); Pagel; Die Heilkde. 4, 1899/1900, S. 65; Pharmazeut. Post 43, 1910, S. 434; WMW 60, 1910, S. 1323f.; M. Stober, in: Personalbibliographien der Prof. und Doz. der Anatomie an der Med. Fak. der Univ. Wien ... 1845 bis 1969, med. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1971, S. 41ff. (m. W.); H. Huber, Geschichte der med. Fak. Innsbruck und der med.-chirurg. Stud.anstalt (1673–1938), 2010, s. Reg.; Wien Geschichte Wiki (Zugriff 2. 3. 2021); UA, Wien (m. B.); UA, Graz, Stmk.
(G. Vavra)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 592f.
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