Zweig, Egon (1870–1920), Staatswissenschaftler, Journalist und Beamter

Zweig Egon, Staatswissenschaftler, Journalist und Beamter. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 26. 1. 1870; gest. Wien, 6. 3. 1920; mos., ab 1893 röm.-kath. Sohn des Fabriksdir. Ignaz Z. (geb. Kremsier, Mähren / Kroměříž, CZ, 4. 4. 1837; gest. Wien, 4. 2. 1913) und von Jenny Z., geb. Singer (geb. Prag, Böhmen / Praha, CZ, 26. 1. 1846; gest. 18. 1. 1924), Bruder des Internisten Walter Z. (geb. Brünn, 30. 10. 1872; gest. London, GB, 29. 9. 1953); unverheiratet. – Nach Absolv. des dt. Staatsgymn. (1887) begann Z. ein Stud. der Rechtswiss. und Phil. an der Univ. Wien; 1892 Dr. iur. Anschließend folgte die Gerichtspraxis am Landesgericht für Strafsachen Wien. Im Herbst 1893 wechselte er für zwei Semester an die Univ. Heidelberg, um seine Stud. bei Kuno Fischer, →Georg Jellinek und dem Staatsrechtslehrer Georg Meyer fortzusetzen. V. a. Jellinek, mit dem er jahrelang in engem Kontakt stand, übte großen Einfluss auf seine wiss. Forschungen aus. 1894–95 hielt sich Z., finanziert durch ein Reisestipendium des Unterrichtsmin., zu weiteren Forschungen in Straßburg und Paris auf. Nach Wien zurückgekehrt, trat er in den Staatsdienst ein und wurde im November 1895 auf Einladung →Friedrich Uhls Red. der „Wiener Zeitung“. Im März 1899 wechselte er ins Pressdep. des Ministerratspräsidiums zu →Rudolf Sieghart, im Herbst 1902 in das Min. für Cultus und Unterricht, wo er anfangs dem Dep. für bildende Künste zugeteilt war. Daneben entfaltete er eine rege publizist. und wiss. Tätigkeit auf den Gebieten der Staatstheorie und des Parlamentarismus. Seine Beitrr., überwiegend dem Staatsrecht im weiteren Sinn gewidmet, erschienen in der „Neuen Freien Presse“, der „Zeit“, in der „Österreichischen Rundschau“ und den „Juristischen Blättern“; 1907 fasste er diese in einem Sammelbd. zusammen. 1908 Sektionsrat, 1911 Min.rat, übernahm er 1909 die Organisation des Kursbetriebs bei der von ihm mitbegründeten Freien Vereinigung für staatswiss. Fortbildung mit dem Ziel, regelmäßig Vorträge auf den Gebieten der Staats-, Sozial- und Wirtschaftspolitik zu veranstalten. Im selben Jahr legte er seine, →Joseph Unger gewidmete, Habil.schrift „Die Lehre vom Pouvoir Constituant. Ein Beitrag zum Staatsrecht der französischen Revolution“ vor und erhielt 1910 auf Vorschlag →Edmund Bernatziks die venia legendi für allg. Staatsrecht. Schon 1909 war seine Berufung in die Staatswiss. Prüfungskomm. erfolgt, 1914 wurde er zum ao. Prof. ernannt. 1910–20 hielt er, mit kriegsbedingten Unterbrechungen, Vorlesungen über Geschichte und Theorie des Staatsrechts und als einer der Ersten auch über Politik und Parteiengeschichte. Wiewohl Z. Hans Kelsens frühe Arbeit über Dantes Staatstheorie überaus wohlwollend besprochen hatte, dürfte das Verhältnis zu Kelsen später von Konkurrenz und Auffassungsunterschieden geprägt gewesen sein. Verschiedene seiner Arbeiten lassen auf eine dt.-liberale polit. Grundhaltung schließen. HR Z., der in mehreren Dep. – zuletzt in der allg. Rechtsabt. – tätig war, galt als einer der besten Kenner der österr. Verwaltung. Zuletzt oblag ihm auch die Durchführung des Vertrags von St. Germain im Staatsamt für Inneres und Unterricht; 1916 Ritter des Leopold-Ordens.

Weitere W.: Stud. und Kritiken, 1907; La réforme électorale en Autriche, in: Revue du droit public et de la science politique en France et à l’étranger 24, 1907.
L.: Neues Wr. Journal, NFP, NWT, WZ, 7. 3. 1920; Inauguration Univ. Wien 1920/21, 1920, S. 59f.; Kosel 1; Jüd. Volksbl., 1893, Nr. 23, S. 1; D. Kelly, in: Constitutionalism, Legitimacy, and Power, ed. K. L. Grotke – M. J. Prutsch, 2014, S. 332ff.; Th. Olechowski, H. Kelsen, 2020, S. 84f.; AVA, HHStA, UA, alle Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 609
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