Zweig, Stefan (1881–1942), Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber

Zweig Stefan, Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber. Geb. Wien, 28. 11. 1881; gest. Petrópolis (BR), 23. 2. 1942 (Suizid); mos. Sohn von →Moriz Z. und Ida Z., geb. Brettauer (geb. Ancona, Kirchenstaat/I, 5. 5. 1854; gest. Wien, 23. 8. 1938), Großcousin von →Egon Michael Z.; 1920–38 mit Friderike v. Winternitz, geb. Burger, in 2. Ehe mit seiner Sekr. Lotte Z., geb. Altmann (gest. Petrópolis, 23. 2. 1942, Suizid; mos.), verheiratet. – Nach dem Besuch des Maximilian-Gymn. (Matura 1900) stud. Z. 1900–04 Phil. und Literaturwiss. in Wien, das Sommersemester 1902 verbrachte er in Berlin; 1904 Dr. phil. mit einer Arbeit über Hippolyte Taine bei →Friedrich Jodl. Ab 1896 veröff. er erste Ged., v. a. unter dem Einfluss des französ. Symbolismus, ab 1900 auch kleinere Erz. 1901 erschien Z.s erster Ged.bd. „Silberne Saiten“, 1904 der erste Prosa-Bd. „Die Liebe der Erika Ewald“. 1902 begann seine publizist. Tätigkeit, insbes. für die „Neue Freie Presse“ (vermittelt durch →Theodor Herzl), aber auch für diverse Ztg. und Z. in Dtld., bald zusätzl. in Prag und Budapest, später in der Schweiz, in Frankreich und anderen Ländern. 1907 veröff. er mit dem Trauerspiel „Tersites“ das erste von insgesamt zehn Theaterstücken. Ab 1900 war Z. zudem vielfältig als Übers. und Hrsg. (darunter Baudelaire, Verlaine, Rimbaud, engl. Lyrik) beschäftigt, wobei er sich 1904–10 als Übers. und Vermittler intensiv für das Werk des belg. Autors Emile Verhaeren, anschließend für jenes von Romain Rolland einsetzte. Beiden widmete er eine Biographie. Ab 1906 (zweiter Lyrikbd., „Die frühen Kränze“) bis 1933 erschien Z.s Werk im Insel-Verlag, Leipzig. Für diesen arbeitete Z. auch als Hrsg., Berater und Vermittler. Er empfahl Autoren aus Österr. und Dtld., später aus Frankreich, Italien, der Tschechoslowakei und England. Konzeption und Programm der Reihen Insel-Bücherei und Bibliotheca mundi (Klassiker der Weltliteratur in Originalsprachen) stammen wesentl. von ihm. Entsprechende Vermittlerfunktionen übernahm er auch für Illustratoren und diverse weitere Verlage. 1914 meldete Z. sich freiwillig zum Militärdienst und war nach der Grundausbildung in Klosterneuburg ab Dezember jenes Jahres im KA sowie als Mitarb. an diversen Anthol. und an der von ihm mitkonzipierten patriot. Ztg. „Donauland“ tätig. Seine anfängl. Kriegsbegeisterung wurde insbes. durch den briefl. Dialog mit Rolland nach und nach gemildert. Das bibl. Drama „Jeremias“ macht einen vergebl. Warner vor dem Krieg zum Helden (1918 Urauff. in Zürich). Ab Mitte November 1917 hielt er sich als Reporter der „Neuen Freien Presse“ in der Schweiz auf. In Zürich, Basel und Genf kam es zu Begegnungen mit pazifist. und linken Autoren, eine Mitwirkung an entsprechenden Aktionen und Z. lehnte er jedoch ab. Ab März 1919 lebte Z. gem. mit Friderike v. Winternitz und deren zwei Töchtern aus 1. Ehe in Salzburg, wo Z. 1917 am Kapuzinerberg das sog. Paschinger Schlössl erworben hatte. Hier entstanden in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre jene Teile des Werks, die durch zahlreiche Übers. den weltweiten Erfolg des Autors ausmachen: Sie umfassen Erz. und Novellen („Amok“, 1922; „Verwirrung der Gefühle“, 1927; „Sternstunden der Menschheit“, 1927, sowie diverse Einzelveröff.), Essaybde. („Drei Meister“, 1920; „Der Kampf mit dem Dämon“, 1925; „Drei Dichter ihres Lebens“, 1928; „Die Heilung durch den Geist“, 1931) sowie hist. Biographien („Joseph Fouché“, 1929; „Marie Antoinette“, 1932). Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Anfang 1933 plante Z. Salzburg zu verlassen, übersiedelte aber erst nach den Februarkämpfen 1934 und einer polit. motivierten Hausdurchsuchung nach London, während die Familie in Salzburg blieb. Er pflegte intensive Verbindungen mit Kollegen des Exils. Insbes. in den hist. Stud. „Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam“ (1934) und „Castellio gegen Calvin“ (1936) versuchte Z. die Rolle des Intellektuellen gegen die Diktatur zu definieren. 1937 verkaufte er sein Salzburger Haus, 1938 erfolgte die Scheidung von Friderike. Nach fünf Jahren in London zog er im Sommer 1939 nach Bath, wo er neuerl. ein Haus kaufte und mit seiner zweiten, ebenfalls emigrierten Frau lebte. 1940 erhielten beide die brit. Staatsbürgerschaft. Ende Juni 1940 reisten sie in die USA und nach Brasilien, hielten sich von Jänner bis August 1941 wieder in den USA, danach in Brasilien und schließl. ab Sept. 1941 in Petrópolis, nördl. von Rio de Janeiro, auf. Das Thema Exil und Verfolgung bestimmt zahlreiche publizist. Texte wie Briefe Z.s. Er plante ein Manifest internationaler jüd. Intellektueller, eine jüd. Z. und einen Kongress, die jedoch nicht zustande kamen. Auch das literar. Spätwerk ist – auf unterschiedl. Weise – von der Exil-Erfahrung bestimmt, so die Biographien über Maria Stuart, Magellan und Amerigo Vespucci, der Roman „Ungeduld des Herzens“, die Fragment gebliebenen Mss. (zwei Romane: „Clarissa“, „Rausch der Verwandlung“ – beide Titel stammen nicht von Z.; Biographien über Balzac und Montaigne) sowie die Erinnerungen „Die Welt von Gestern“ und die „Schachnovelle“, die letzten Texte, die Z. fertiggestellt hat und die posthum veröff. wurden.

Weitere W. (s. auch R. J. Klawiter, St. Z. An International Bibliography, 1991, Addendum I–II, 1999–2001; St. Z. Hdb.): Gesammelte Werke in Einzelausg., ed. K. Beck, 36 Bde., 1981–90; Das erzähler. Werk, ed. W. Michler – K. Renoldner, 7 Bde., 2017ff.; Die schlaflose Welt, ed. K. Beck, 1983; Erst wenn die Nacht fällt, ed. K. Gräbner – E. Schirhuber, 2016; Nur die Lebendigen schaffen die Welt, ed. K. Gräbner – E. Schirhuber, 2016; Worte haben keine Macht mehr, ed. St. Resch, 2019; L’esprit européen en exil, ed. J. le Rider – K. Renoldner, 2020; Briefe: Auswahl in 4 Bde., 1897–1942, ed. K. Beck u. a., 1995–2005.
L.: D. Prater, St. Z. Das Leben eines Ungeduldigen, 1981; St. Z. Bilder, Texte, Dokumente, ed. K. Renoldner u. a., 1993; A. Dines, Tod im Paradies. Die Tragödie des St. Z., 2006; O. Matuschek, St. Z. – Drei Leben, 2006; Schriftenr. des Stefan Zweig Zentrum Salzburg 1ff., 2008ff.; zweigheft. Z. des Stefan Zweig Zentrum Salzburg 1ff., 2009ff.; St. Z. Hdb., ed. A. Larcati u. a., 2018 (m. W.).
(K. Renoldner)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 611f.
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