Grossberg, Mimi (Emilie); geb. Buchwald (1905–1997), Schriftstellerin und Hutmacherin

Grossberg Mimi (Emilie), geb. Buchwald, Schriftstellerin und Hutmacherin. Geb. Wien, 23. 4. 1905; gest. New York, NY (USA), 2. 6. 1997; mos. Tochter des Metallwarenfabrikanten Salomon Buchwald (s. u.) und von Adele Buchwald, geb. Durst (geb. Wien, 3. 10. 1876; gest. vermutlich Vernichtungslager Maly Trostinez, Reichskommissariat Ostland/BY, 21. 9. 1942; ermordet), der Tochter eines leitenden Bankangestellten; Schwester des Komponisten und Kaufmanns Julius Buchwald (geb. Wien, 2. 9. 1909; gest. New York, 9. 8. 1970); 1930 Heirat mit →Norbert Grossberg. – Nach der Matura am Mädchenlyzeum in Wien-Mariahilf 1922 war G. im Betrieb ihres Vaters tätig und besuchte daneben Abendkurse u. a. über englische Literatur und in Individualpsychologie bei →Alfred Adler. 1924–25 arbeitete sie als Bibliothekarin am Volksbildungsheim Ottakring, nach einer Ausbildung zur Modistin 1927–29 ein Jahr lang als Handarbeiterin in einem Hutsalon und ab 1932 bis zu ihrer Emigration in die USA 1938 als selbstständige Modistin. In New York war sie Saisonarbeiterin für verschiedene Hutsalons. Ab 1933 verfasste G. erste Gedichte, gehörte dem Bund Junger Autoren Österreichs an und nahm an Autorenlesungen der Gruppe teil. Nachdem sie 1935 ihren ersten Lyrikband „Der Weg zu dir“ veröffentlicht hatte, begann sie im Exil, Lyrik auf Englisch zu verfassen. Ihre Gedichte erschienen in den „New York Hiking Times“, deren Mitherausgeberin sie 1948–49 war. 1957 unternahm G., die 1944 amerikanische Staatsbürgerin geworden war, in Begleitung von Rose Ausländer ihre erste Reise nach Wien, wo im selben Jahr ihr zweiter Gedichtband „Versäume, verträume …“ herauskam. 1961–95 übte sie eine regelmäßige Vortragstätigkeit für das Austrian Institute, die Social Scientific Society und den Literarischen Verein in New York aus. G., eine zentrale Figur in der österreichischen Exilszene in New York, förderte durch ihre Publikationen und Vorträge die Exilliteratur. 1970 veröffentlichte sie ihre Darstellung von „Österreichs literarischer Emigration in den Vereinigten Staaten 1938“ und 1982 die Sammlung „Geschichte im Gedicht. Das politische Gedicht der austro-amerikanischen Exilautoren des Schicksalsjahres 1938“ (3. Aufl. 1993). 1986 erschien ihre Autobiographie „The Road to America. Mimi Grossberg – Her Times and Her Emigration. A Bilingual Report“. 1974 erhielt G. das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Sie war Mitglied des P.E.N.-Clubs. G.s Vater Salomon Buchwald (geb. Izsák, 21. 10. 1873; gest. vermutlich Vernichtungslager Maly Trostinez, 21. 9. 1942, ermordet), Sohn eines Lehrers für Deutsch und Hebräisch, besuchte die Handelsschule in Preßburg (Bratislava) und wurde mit 14 Jahren Praktikant in einem Wiener Schustergeschäft. Zusammen mit Hermann Kretsch gründete er 1907 die Metallwarenfabrik „Buchwald & Kretsch“ in Wien, die Pferdegeschirr erzeugte. 1932 stellte die Firma aufgrund mangelnder Nachfrage wegen des Autoverkehrs auf Gurtschmuck, Damengürtelschließen, Schnallen, Sportartikel und Radiobestandteile um. 1934 schied Buchwald als Teilhaber aus. Im September 1938 wurde die Firma unter kommissarische Verwaltung gestellt und in der Folge arisiert. Sie firmierte fortan als „Metallwaren- und Schnallenfabrik Karl Klecek“. G.s Versuche, ihren Eltern die Ausreise zu ermöglichen und ihre Deportation im Juli 1942 nach Theresienstadt (Terezín) und im September 1942 nach Maly Trostinez zu verhindern, scheiterten.

Weitere W. (s. auch Bolbecher; Deutschsprachige Exilliteratur 4/1; Kürschners Deutscher Literatur-Kalender; Klösch; Wissenschafterinnen): Ed.: österreichische autoren in amerika. Geschick und Leistung der österreichischen Emigration ab 1938 in den Vereinigten Staaten, Wien 1970 (Kat.). – Nachlass: Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus, Wien.
N.: Der Standard, 7./8. 6. 1997; H. Embacher – A. Lichtblau, „Aber Mensch bin ich geblieben“. In Memoriam M. G. (1905–1997), in: Mit der Ziehharmonika 14, 1997, H. 2, S. 34f. (m. B.).
L.: Bolbecher–Kaiser (m. B.); Hdb. jüd. AutorInnen; S. Bolbecher, M. G., in: Mit der Ziehharmonika 6, 1989, H. 1, S. 8f. (m. B. u. W.); Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, 2, ed. J. M. Spalek – J. Strelka, 1989, s. Reg., 3/5, ed. J. M. Spalek u. a., 2005, s. Reg., 4/1, ed. dies., 1994 (m. W. u. L.); E. Hartenstein, Heimat wider Willen, Emigranten in New York – Begegnungen, 1991, S. 126–136 (m. B.); Kürschners Deutscher Literatur-Kalender Nekrolog 1971–1998, 1999 (m. W.); Ch. Klösch u. a., M. G. (1905–1997), Wien 1999 (Kat., auch für Salomon Buchwald, beide m. B., zu M. G. W. u. L.); Wissenschafterinnen in und aus Österreich, ed. B. Keintzel – I. Korotin, 2002 (m. B. u. W.); A. A. Wallas, Exilerfahrung im literarischen Werk und in der Vermittlungstätigkeit M. G.s, in: Echo des Exils. Das Werk emigrierter österreichischer Schriftsteller nach 1945, ed. J. Thunecke, 2006, S. 44–81 (auch zu Salomon Buchwald); M. G. (1905–1997): Pionierin – Mentorin – Networkerin, ed. S. Blumesberger, 2008 (m. B.); Österreichische Exilbibliothek im Literaturhaus, WStLA, beide Wien (auch für Salomon Buchwald).
(I. Nawrocka)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)