Tandler, Josef Jakub (1765–1826), Schriftsteller, Journalist und Übersetzer

Tandler Josef Jakub, Schriftsteller, Journalist und Übersetzer. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 4. 3. 1765; gest. ebd., 8. 8. 1826. Aus einer dt.-tschech. Familie stammend, möglicherweise Sohn eines dt. Bühnenautors, Vater von Joseph Franz T. Ritter v. Tanningen (s. u.). – Nach dem Besuch des akadem. Gymn. in der Prager Altstadt und des phil. Jg. an der dortigen Univ. bei →Ignaz Cornova war T. ab 1786 Volontär bei der böhm. Kassenverwaltung. Im selben Jahr gründete er gem. mit Václav Thám, Prokop Šedivý u. a. das Patriot. Theater „Bouda“ und trat dort auch als Schauspieler auf. 1790–92 arbeitete er als Red. bei →Johann (Nep.) Ferdinand v. Schönfelds Ztg. „Pražské poštovské noviny“ und 1792–93 bei der Ztg. „Nové venkovské hospodářské noviny“. 1791 verf. T. eine Petition, in der er eine Lehrkanzel für böhm. Sprache und Literatur forderte und die er dem K. persönl. überreichte. Für die tschech.sprachige Bühne der „Bouda“ übers. und adaptierte T., der ab 1796 in der Administration des Bankalfonds, später als Liquidator im Cameral-Hauptzahlamt tätig war, mehrere Lust- und Singspiele (u. a. „Panenský lov aneb Rybářova dcera“, Urauff. 1786; „Ostrov lidožroutů“ nach Marie-Catherine d’Aulnoy, Urauff. 1790). Bes. Bedeutung erlangte er auch als einer der ersten tschech. Shakespeare-Übers. („Hamlet“, aus dem Dt. übers., Urauff. 1791). T.s Patriotismus zeigt sich in seiner Übers. und Bühnenadaption von „Libuše, první kněžna a rekyně česká“ nach Karl Franz Guolfinger Ritter v. Steinsberg (Urauff. 1787). Sein eigenes erfolgreiches Stück über den böhm. Heerführer der Hussiten, „Jan Žižka z Trocnova“ (auch „Žižka, vůdce táboritů“, Urauff. 1787), spiegelt die Auseinandersetzung der tschech. patriot. Kreise mit Themen aus der böhm. Vergangenheit. Außer einer späteren Abschrift von „Ostrov lidožroutů“ ist keines von T.s Dramen erhalten. Sein Behelf zum tschech. Geschäftsstil „Dokonalý jednatel, aneb zemský advokát ...“ (2 Bde., 1794–95) wurde mehrmals neu aufgelegt (1804, ed. P. Šedivý; 1820, ed. J. Javornický). T.s Sohn Joseph Franz T. Ritter v. Tanningen (geb. Prag, 12. 1. 1807; gest. Langenwang/Stmk., 1. 9. 1891) schlug nach Absolv. der jurist. Stud. in Prag 1829 die Staatsbeamtenlaufbahn in der Finanz- und Domänenverwaltung ein, zuerst in Teplitz (Teplice), danach in Leitmeritz (Litoměřice) und Prag. Ab 1850 war er Min.sekr. im Min. des Cultus und Unterrichts, 1854–60 wirkte er als Statthaltereirat in Pest (Budapest). Danach übernahm er, wieder in Wien, das Referat über die Staatsbauten; 1863 Sektionsrat im Min. des Cultus und Unterrichts, 1867 Min.rat. 1870 trat er i. d. R. Daneben betätigte sich Joseph Franz T. v. T., tw. unter dem Ps. Florus Retland, schriftsteller. und veröff. literaturgeschichtl. Artikel sowie Novellen, u. a. in der „Wiener Zeitung“ und in den „Dioskuren“, dem literar. Jb. des Ersten allg. Beamtenver. der Österr.-Ung. Monarchie, an dessen Red. er 1872–75 mitarbeitete. T. erhielt zahlreiche Ehrungen, u. a. 1870 das Ritterkreuz des Leopold-Ordens. 1873 folgte die Erhebung in den Ritterstand mit dem Prädikat „von Tanningen“.

Weitere W.: Popsání obyčejův při korunování králův českých, 1791; Ostrov lidožroutů, in: J. F. Král, Památník ochotnického divadla ve Vamberku, 1903. – Joseph Franz T. Ritter v. Tanningen: Gesungenes und Verklungenes, 1864; Spruchbüchlein, 1875 (3., vermehrte Aufl. 1890); Aphorismen über die Seele, 1879.
L.: Národní listy, 28. 3. 1890; Brümmer; LČL; Otto; Rieger; Wurzbach; J. Jireček, Časopis Mus. Království českého 36, 1862, S. 272; F. X. Prusík, in: Světozor 20, 1886, S. 726; A. Získal, in: Časopis pro moderní filologii 7, 1919/21, S. 210f.; A. Fencl, ebd. 24, 1938, S. 162; J. Vondráček, Bouda, 1953, S. 113; J. Vondráček, Dějiny českého divadla. Doba obrozenská 1771–1824, 1956, s. Reg.; Dějiny českého divadla 2, ed. F. Černý, 1969, s. Reg.; M. Laiske, Pražská dramaturgie 1–2, 1974, s. Reg.; L. Kusáková, in: Mezi časy ... Kultura a umění v českých zemích kolem roku 1800, ed. Z. Hojda, 2000, S. 275ff.; Divadelní oddělení Národního muz., Praha, CZ. – Joseph Franz T. Ritter v. Tanningen: NFP, 4. 9. 1891 (A.); ADB; Brümmer; Eisenberg 1; Goedeke, s. Reg.; Kosch; Wurzbach.
(V. Petrbok – I. Nawrocka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 193f.
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