Tauber, Richard; eigentl. Richard Denemy, ab 1913 Denemy-Tauber (1891–1948), Sänger, Dirigent und Komponist

Tauber Richard, eigentl. Richard Denemy, ab 1913 Denemy-Tauber, Sänger, Dirigent und Komponist. Geb. Linz (OÖ), 16. 5. 1891; gest. London (GB), 8. 1. 1948 (Ehrengrab: Brompton Cemetery); bis 1926 röm.-kath. Unehel. Sohn der Soubrette Elisabeth Seifferth, geb. Denemy, und des Schauspielers Anton Richard T. (s. u.), der ihn später in seine Obhut nahm und 1913 adoptierte; 1926 Heirat mit der Soubrette Carlotta Vancotti (geschieden), 1936 mit der engl. Schauspielerin Diana Napier. – T. wuchs im Theatermilieu auf und wollte bereits als Jugendlicher Sänger werden. Er stud. 1908–10 Klavier, Komposition und Orchesterdirigieren am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main. Nach ersten gescheiterten Vorsingversuchen attestierte ihm →Leopold Demuth eine Stimme „wie ein Zwirnsfaden“. Wegen einer Liebelei musste T. nach Freiburg im Breisgau übersiedeln, wo er dem Gesangspädagogen Carl Beines begegnete, der sein großes Talent erkannte und ihn ausbildete. T. gab sein Operndebüt 1913 in Chemnitz als Tamino in Mozarts „Zauberflöte“ und erhielt im selben Jahr ein Engagement an die Dresdner Hofoper, an der er bis 1918 blieb. Er wurde ein gefragter lyr. Tenor, auch da er innerhalb kürzester Zeit Partien einzustud. vermochte (Beiname „SOS-Tenor“), und gastierte u. a. an der Berliner sowie an der Wr. Staatsoper. 1921 lernte er in Salzburg →Franz Lehár kennen, in dessen späten Operetten er dann, beginnend mit „Paganini“ (Berliner Erstauff. 1926), die männl. Hauptrollen sang. In gem. Arbeit entstanden die auf T.s Stimme zugeschnittenen „T.-Lieder“, die als Schlager große Popularität erlangten („Dein ist mein ganzes Herz“ etc.). Trotz Warnungen, dass er seine Stimme für die Oper ruiniere, verlegte er sich zunehmend auf das Operettengenre und erlangte darin immense Berühmtheit. Früh erkannte T. die Bedeutung der Werbung und lancierte als erster Star bewusst Privates in der Öffentlichkeit. Nach einer schweren Rheumaerkrankung feierte er 1929 als Prinz Sou-Chong sein Comeback in der Urauff. von Lehárs „Das Land des Lächelns“, eine Rolle, die er über 700-mal verkörperte. Im selben Jahr kam sein erster Film, „Ich glaub’ nie mehr an eine Frau“, in die Kinos. Die auf Drängen seines Cousins und Managers Max Tauber gegr. Richard Tauber Tonfilm Ges. hatte nur kurzen Bestand, T. wurde von Max um große Summen gebracht. Er stand weiterhin erfolgreich auf Opernbühnen und wurde insbes. als Mozart-Tenor gefeiert. Nachdem er im März 1933 von der Bühne des Berliner Admiralspalastes gebuht und auf dem Kurfürstendamm von SA-Männern niedergeschlagen worden war, flüchtete er in die Schweiz, in die Niederlande, von wo aus er einen gescheiterten Anbiederungsversuch an die NS-Politik unternahm, und schließl. nach Wien. Hier wurde seine Operette „Der singende Traum“ uraufgef. Ab 1934 hielt sich T. vermehrt in England auf, wo er als Schubert in „Blossom Time“ einen internationalen Filmerfolg hatte, und wandelte sich vom unpolit. Künstler zum Star, der sich öff. gegen →Adolf Hitler äußerte. Internationale Tourneen führten ihn nach Nord- und Südamerika, nach Südafrika, Asien und Australien. Nach dem „Anschluss“ Österr. an das Dt. Reich 1938 lebte er ausschließl. in England (ab 1940 engl. Staatsbürger). Er gab Konzerte, die BBC brachte regelmäßige R.-T.-Programme, und es entstand seine zweite, sehr erfolgreiche Operette „Old Chelsea“. An Höchstgagen und einen aufwendigen Lebensstil gewöhnt, geriet T. im Exil jedoch in hohe Schulden. Nach Kriegsende trat er wieder international auf, hatte aber deutl. Stimmprobleme. Seinen letzten Auftritt absolv. der an Lungenkrebs Erkrankte Ende September 1947 am Royal Opera House, Covent Garden, als Don Ottavio in Mozarts „Don Giovanni“, wobei er besser denn je gesungen haben soll. T.s Vater Anton Richard T. (geb. Wien, 21. 4. 1861; gest. Lugano, CH, 4. 8. 1942; röm.-kath.) war Sohn eines aus Preßburg stammenden jüd. Weinhändlers. Er trat 1878 auf der Übungsbühne des Sulkowsky-Theaters in Matzleinsdorf (Wien 5) erstmals auf und war danach als jugendl. Held und Liebhaber an verschiedenen Prov.bühnen engag. Zur Zeit seiner Liebesbeziehung mit Elisabeth Seifferth spielte er u. a. in Graz und am Dt. Theater in Berlin sowie 1891 in New York. Erst nach seiner Rückkehr erfuhr er von T.s Geburt. 1891–1900 hatte er ein Engagement am Prager Landestheater, wo er ins Charakterfach wechselte. 1898 heiratete er die Schauspielerin Josefine Moller, die kurz darauf starb. 1904 ging er nach Wiesbaden, wo er Elise Henriette Hase heiratete. 1912 wurde er Dir. der Vereinigten Stadttheater Chemnitz; 1930 in Dresden i. R. Zusammen mit Elise musste er 1936 nach Meran (Merano) flüchten, 1937 wurde sein Vermögen in Dtld. beschlagnahmt. Danach lebte er in der Schweiz im Exil.

Weitere Rollen: Belmonte (W. A. Mozart, Die Entführung aus dem Serail); Florestan (L. v. Beethoven, Fidelio); Hans (B. Smetana, Die verkaufte Braut); Eisenstein (J. Strauß, Die Fledermaus); Johann Wolfgang Goethe (F. Lehár, Friederike); Hauptmann Octavio (ders., Giuditta); etc. – Fast 1.000 Schallplattenaufnahmen. – Teilnachlass: Nordico Stadtmus. Linz, OÖ.
L. (meist auch für Anton Richard T.): Czeike; Grove, 1980 (m. B.), 2001; Hdb. der Emigration 2; Kutsch–Riemens, 4. Aufl. 2003; MGG II (m. B.); NDB; oeml; D. Napier-T., R. T., 1949 (m. B., auch von Anton Richard T.); W. Korb, R. T., 1966 (m. B., auch von Anton Richard T.); R. T. Die Discographie eines großen Sängers, ed. H. Sieben, 1986 (m. B.); Gesammelte Erinnerungen von und an R. T. (…), ed. ders., 1987 (m. B.); M. Jürgs, Gern hab’ ich die Frau’n geküßt, 2000 (m. B., auch von Anton Richard T.); O. Schneidereit, R. T., bearb. und ed. V. Kühn, 2000 (m. B., auch von Anton Richard T.); E. Steinthaler, Morgen muß ich fort von hier. R. T. – Die Emigration eines Weltstars, 2011 (m. B.). – Anton Richard T.: Eisenberg, Bühne; Kosch, Theaterlex.; Wininger; Reichshdb. der dt. Ges. 2, 1931.
(E. Steinthaler)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 208ff.
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