Thonet, Michael d. J. (1824–1902), Tischler und Unternehmer

Thonet Michael d. J., Tischler und Unternehmer. Geb. Boppard, Preußen (D), 30. 10. 1824; gest. Wien, 25. 12. 1902; röm.-kath. Sohn von →Michael T. d. Ä., Bruder von Franz T. (geb. Boppard, 21. 12. 1820; gest. Wien, 8. 1. 1898; röm.-kath.), Mitbegründer und 1. Präs. des Dt. Volkstheaters in Wien, 1877 Ritter des Franz Joseph-Ordens sowie 1893 des Ordens der Eisernen Krone III. Kl., der in der Fa. für den Außenhandel zuständig war, und von August, Josef und Jakob T. (alle s. u.); verheiratet mit Jeannette T., geb. Herbert. – T. übersiedelte 1842 nach Wien und half vorerst seinem Vater im Unternehmen. Ab 1856 leitete er gem. mit diesem die neue Fabrik im mähr. Koritschan (Koryčany), einer waldreichen Region, in der zudem billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Er hatte wesentl. Anteil an der Verbesserung des Verfahrens zur Herstellung von Bugholz sowie an den Entwürfen neuer Stuhl-Modelle. Auf seinen Vorschlag hin erfolgte auch die Arbeitsteilung in der Fabrik in Koritschan: Zu den schweren Tätigkeiten wurden geschulte Männer beigezogen, für die leichteren (Raspeln, Polieren, Flechten, Verpacken) Hilfsarbeiter und Frauen angelernt. Sein Bruder August T. (geb. Boppard, 28. 3. 1829; gest. Arco, Tirol/I, 16. 3. 1910; röm.-kath.), verheiratet mit Amalie T., geb. Skoupíl, übernahm die techn. Dion. der Fa.: Er entschied über den Ankauf von Maschinen bzw. über weitere Mechanisierungsschritte und realisierte als begabter Konstrukteur viele innovative Möbelmodelle und Produktionstechniken. Aus ökonom. Gründen initiierte er ab 1861 den Bau einer neuen Fabrik in Bistritz am Hostein/Bystřice pod Hostýnem (anstelle der Erweiterung einer bestehenden Fabrik) und übernahm 1869 deren Leitung. August T. achtete bes. darauf, dass Investitionen aus dem Geschäftsgewinn finanziert wurden; bis zum Zerfall der Monarchie hielten sich auch alle Familienmitgl. an dieses Finanzierungsprinzip. Daneben war August T. ein leidenschaftl. Musiker: Er gründete in den drei größten Fabriken Musikkapellen und komponierte selbst. Berühmt wurde sein Versuch, Geigen aus gebogenem Holz zu bauen; diese wurden bei Ausst. in Wien 1892 und 1896 vorgestellt. Mehrmals zum Bgm. von Bistritz gewählt, wurde er 1879 Ritter des Franz Joseph-Ordens, 1885 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl. Ein weiterer Bruder, Josef T. (geb. Boppard, 29. 5. 1830; gest. Maria Enzersdorf, NÖ, 22. 8. 1887; röm.-kath.), verheiratet mit Maria T., geb. Dieblich, leitete die Wr. Zentrale; weiters entstanden unter seiner Mitwirkung neue Werkstätten in Nagyugrócz (Veľké Uherce), in Hallenkau (Halenkov) sowie 1867 in Saybusch (Żywiec) und 1880 in Nowo-Radomsk (Radomsko). Bes. Bedeutung erlangte KR Josef T. als Mäzen und als Mitbegründer bzw. Vorstandsmitgl. des Technolog. Gewerbe-Mus. 1873 Ritter des Franz Joseph-Ordens. Ein weiterer Bruder, Jakob T. (geb. Boppard, 30. 10. 1841; gest. Mödling, NÖ, 10. 11. 1929; röm.-kath.), kümmerte sich v. a. um die administrativen Angelegenheiten und war für die Arbeits- und sozialen Bedingungen in der Fa. verantwortl.: So veranlasste er den Bau von Zinshäusern für Arbeiter, initiierte Kranken- und Betriebsunfallversicherungen und gründete Schulen sowie eine freiwillige Feuerwehr. 1886 übernahm er die Leitung der Fabrik in Bistritz. KR Jakob T. war außerdem Präs. der Handelsges. für Bugholzmöbel- und Holzind. in Amsterdam, Mitgl. des Kuratoriums der Akad. für Musik und darstellende Kunst, des Techn. Mus. für Ind. und Gewerbe, Dir. der Ersten österr. Spar-Casse in Wien, Präs. des Wr. Konzert-Ver., Dionmitgl. der Wr. Konzerthaus-Ges. sowie ab 1904 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl. und 1888 Ritter, 1912 Komtur des Franz Joseph-Ordens. Um die Mitte der 1870er-Jahre beschäftigte die Fa. T. ca. 4.500 Arbeiter und produzierte tägl. ca. 2.000 Möbelstücke. Nach Auflösung der Monarchie erfolgte eine Teilung der Produktionsbetriebe und Waldbesitzungen, 1923 die Fusion mit der Kohn-Mundus AG (T.-Mundus AG). 1939 übernahm die Familie T. die dt. und österr. Tle. des Unternehmens. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der einstige Weltkonzern endgültig in nationale Einzelunternehmen aufgeteilt, die nun unabhängig voneinander produzierten.

L. (zur Familie): O. Bang, T. Geschichte eines Stuhls, 1979 (m. B.); K. Mang, T. Bugholzmöbel, 1982 (m. B.); A. v. Vegesack, Das T. Buch, 1987 (m. B.); Sitz-Gelegenheiten. Bugholz- und Stahlrohrmöbel von T., ed. G. Bott, Nürnberg 1989 (Kat., m. B.); J. Šimoníková, Nábytek z Bystřice pod Hostýnem, 1992; A. Bangert – P. Ellenberg, T. Möbel. Bugholz-Klassiker von 1830–1930, 1997 (m. B.); J. Uhlíř, T. Porýní – Vídeň – Morava, Olomouc 2001 (Kat., m. B.); Historická enc. podnikatelů Čech, Moravy a Slezska, ed. M. Myška, 2003, S. 477; Gebrüder T. Möbel aus gebogenem Holz, ed. E. B. Ottillinger, 2. Aufl. 2005; J. Geršlová, Michael T.: Nábytek z Rakouska, Ostrava 2005 (Kat.); H. Kähne, Die T.s in Boppard, 2008 (m. B.).
(J. Geršlová)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 308f.
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