Wenzlicke (Wenzlitzke, Wenzlitschke), August (1813–1891), Politiker und Jurist

Wenzlicke (Wenzlitzke, Wenzlitschke) August, Politiker und Jurist. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 29. 8. 1813; gest. ebd., 17. 3. 1891; röm.-kath. Sohn des Tuchfabrikanten Florian W. (1776–1850) und dessen Frau Barbara W. (geb. Brünn, 8. 2. 1791), der Tochter des Tuchfabrikanten Paul Tureczek, Vater des Arztes und Obmanns des Zentralver. der dt. Ärzte Mährens (1903–08) Paul W. (geb. Brünn, 10. 6. 1848; gest. ebd., 8. 9. 1909), des Dir. der mähr. Hypothekenbank und Brünner Gmd.rats August W. (geb. Brünn, 9. 1. 1859; gest. ebd., 22. 3. 1922) sowie von Friedrich Wenzlitzke (s. u.), Großvater der Pianistin Marianne W., verheiratete Ertl (geb. 1885), sowie des Arztes und Schriftstellers Josef W., Ps. Josef Weber (geb. Brünn, 11. 10. 1892; gest. Gschwandt am Wolfgangsee, Sbg., 28. 9. 1969), eines engen Freunds von →Othmar Spann; ab 1842 verheiratet mit Auguste W. (geb. Brünn, 26. 8. 1819; gest. ebd., 29. 12. 1904), der Tochter des Kameralrats Josef Schiller. – Nach dem Gymn. in Brünn und einem Rechtsstud. in Olmütz (1837 Dr. iur.) sowie einer Advokaturspraxis in Wien und Brünn wurde W. 1841 zum Advokaten in Ung. Hradisch ernannt und übersiedelte 1844 nach Brünn, wo er bis zu seinem Tod eine Kanzlei führte. Er gehörte bereits dem mähr. prov. LT von 1848/49 an und vertrat von 1861 bis zu seinem Rückzug aus dem öff. Leben 1884 durchgehend die Stadt Brünn im LT. 1861–84 war er, mit einer kurzen Unterbrechung während des dt. LT-Boykotts 1871, LHptm.stellv. und ab 1867, ebenfalls mit der Unterbrechung 1871, auch Mitgl. des Landesausschusses. Der Brünner Gmd.vertretung gehörte er ab 1850, dem Gmd.ausschuss 1853–67 an. W. war einer der führenden Politiker der Dt.liberalen in Mähren und mehrfach Obmann des dt. LT-Wahlkomitees. Im AH saß er seit einer Nachwahl nach dem Rücktritt von →Karl Giskra 1868–71. Bei den ersten direkten RR-Wahlen 1873 kandidierte er nicht, war aber Obmann des mähr. Landes-Wahlkomitees der dt. Verfassungspartei. Der Schwerpunkt von W.s polit. Tätigkeit lag im LT und in der Landesverwaltung, während er in der kurzen Zeit im RR nicht hervortrat. 1868 erhielt er das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens. Sein Sohn Friedrich (Fritz) Wenzlitzke (Wenzlicke) (geb. Brünn, 27. 4. 1844; gest. ebd., 18. 12. 1889) war verheiratet mit Viktoria W., geb. Hoppe, einer Schwester des Brünner Advokaten und Mitgl. des mähr. LT Friedrich Hoppe. Er absolv. 1862–66 ein Rechtsstud. in Wien und erwarb 1867 in Krakau das Doktorat. Nach einigen Jahren als Konzipient wirkte er ab 1876 als Advokat in Brünn. Friedrich W. war im dt. Ver.wesen Brünns sehr aktiv (u. a. 1882 Mitgründer und Ausschussmitgl., dann bis 1887 Obmann-Stellv. des Dt. Ver., Mitgründer und Obmann des Dt. Clubs, Ausschussmitgl. der Ortsgruppe des Dt. Schulver., des Brünner Turnver. und des Ver. Dt. Haus). Das Ehrenmitgl. der Burschenschaft Arminia Brünn engag. sich früh in dt.nationalen Kreisen Mährens. Ab der Gründung 1886 gehörte er der Bundesleitung des Bunds der Deutschen Nordmährens an und stand der 1887 gebildeten Brünner Ortsgruppe vor. Auch war er ab 1880 Schriftführer des Exekutiv-Komitees der dt. Partei Mährens und des Landes-Wahlkomitees. 1885 wurde er in das AH gewählt, wo er zunächst dem Dt. Klub beitrat, diesen aber im Februar 1887 gem. mit den linken und den offen antisemit. Mitgl. verließ. Friedrich W. erklärte dazu, er halte sich seine Position in der Judenfrage offen, werde sich aber keinem antisemit. Klub anschließen. Im Mai 1887 trat er der neu gegr. Dt.-nationalen Vereinigung bei.

W.: Friedrich Wenzlitzke: Mähren unter der Regierung Maria Theresia’s und Joseph’s II., 1887.
L. (tw. auch für Friedrich Wenzlitzke): Tagesbote aus Mähren und Schlesien, 18. 3. 1891; Adlgasser; Heller; L. Fasora, Svobodný občan ve svobodné obci? Občanské elity a obecní samospráva města Brna 1851–1914, 2007, S. 342; J. Malíř u. a., Biografický slovník poslanců moravského zemského sněmu v letech 1861–1918, 2012 (m. B.). – Friedrich Wenzlitzke: Tagesbote aus Mähren und Schlesien, 18., Mähr. Tagbl., 19. 12. 1889; H. Dvorak, Biograph. Lex. der Dt. Burschenschaft 1/6, 2005 (m. B.); Corpus studiosorum Univ. Iagellonicae 1850/51–1917/18. T–Ż, 2015; Katedrála sv. Petra a Pavla, Brno, CZ.
(F. Adlgasser)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 127f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>