Widmann, Adalbert d. J. Frh. von (1868–1945), Beamter und Jurist

Widmann Adalbert d. J. Frh. von, Beamter und Jurist. Geb. Platsch, Mähren (Plaveč, CZ), 20. 5. 1868; gest. ebd., 11. 12. 1945; röm.-kath. Sohn von Adalbert Frh. v. W. d. Ä. (s. u.) und der Sternkreuzordensdame Erwine Freifrau v. W., geb. Freiin v. Scharpffenstein, genannt Pfeill (1833–1883), Neffe des böhm. LT- und RR-Abg. sowie Großgrundbesitzers von Nalžowitz Alfred Frh. v. Scharpffenstein, genannt Pfeill (geb. 25. 9. 1836; gest. 1891). – Nach einem Rechtsstud. an der dt. Univ. Prag (Dr. iur. 1891) trat W. 1891 als Konzeptspraktikant bei der böhm. Statthalterei in den Staatsdienst ein, wurde 1895 Statthaltereikonz. und 1896 Bez.koär. Sowohl seine Familienbeziehungen als auch seine administrativen Fähigkeiten ermöglichten ihm eine rasche Karriere, sodass er 1903 von →Franz Fürst v. Thun u. Hohenstein als Min.sekr. ins Min. des Innern nach Wien berufen wurde. 1906 bestellte man ihn mit Titel und Charakter eines Sektionsrats zum Stellv. des Dep.vorstands für Angelegenheiten der polit. Verwaltung von Böhmen, Mähren und Schlesien. 1908 zum w. Sektionsrat und Dep.vorstand befördert, wurde W. 1909 HR und Stellv. des schles. Landespräs. →Maximilian Gf. Coudenhove. Seine Berufung in das Kabinett von →Richard Gf. Bienerth-Schmerling als Ackerbauminister 1911 galt als Überraschung, hatte W. doch seine gesamte Beamtenkarriere im Innenressort verbracht. Seine Ernennung sollte als Zugeständnis gegenüber den Tschechen deren Unterstützung für die Regierung sichern. Als Bienerth im Juni 1911 demissionierte, wurde W. sogar in das Übergangskabinett unter →Paul Gautsch Frh. v. Frankenthurn übernommen. In seiner Ministerzeit galt W. als korrekter, den Konservativen und Slawophilen nahestehender Beamter. Als im November 1911 →Karl Gf. Stürgkh mit der Bildung einer Regierung beauftragt wurde, versetzte man W. i. d. R., der sich daraufhin der Verwaltung seines Guts in Platsch widmete. Erst 1915 ernannte man W. zum Nachfolger Coudenhoves als Landespräs. von Schlesien. In dieser Funktion erlebte er den Zerfall der Monarchie und die Entstehung des tschechoslowak. Staats. In den unübersichtl. Verhältnissen, in denen altösterr., tschechoslowak., sudetendt. bzw. dt.österr. Verwaltungen neben- bzw. gegeneinander agierten, ersuchte W. im November 1918 um Beurlaubung. Im Oktober 1919 wurde er i. d. R. versetzt und kehrte erneut nach Platsch zurück. W., der sich in der Zwischenkriegszeit zur dt. Nationalität bekannte, erhielt 1938 im Zuge des Münchner Abkommens die reichsdt. Staatsbürgerschaft. I. d. F. wurde 1945 sein Schloss von sowjet. Truppen beschlagnahmt und W. zur Ausweisung vorgesehen, die er allerdings nicht mehr erlebte. Sein Vater, Adalbert Frh. v. W. d. Ä. (geb. Brünn, Mähren / Brno, CZ, 14. 1. 1804; gest. Platsch, 23. 8. 1888; röm.-kath.), war 1848 sowie 1861–84 Mitgl. des mähr. LT, wo er der Mittelpartei angehörte. Seiner versöhnenden Stellung zwischen dem konservativen und dem verfassungstreuen Lager verdankte er es, dass er 1870/71 sowie 1871–84 als LHptm. von Mähren fungieren konnte.

L.: F. Ott – W. Wieser, in: 100 Jahre Landwirtschaftsmin., 1967, S. 81f.; D. Fraydenegg-Monzello, Die Aufzeichnungen des Sektionschefs … A. Frh. v. Pantz, 1990, S. 42; M. Poláková – V. Nováková Křížová, in: Genealogické a heraldické informace, 2011, S. 52f.; P. Fabini u. a., Ministerstvo orby ve Vídni a české země v letech 1867–1918, 2016, S. 98ff.; HHStA, Wien; Moravský zemský archiv v Brně, Brno, Národní archiv, Praha, Pfarre Únanov, alle CZ.
(M. Klečacký)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 177f.
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