Wild, Josef (I.) (1787–1848), Händler

Wild Josef (I.), Händler. Geb. Steinegg, Markgf.schaft Baden (D), 24. 3. 1787; gest. Wien, 9. 4. 1848; röm.-kath. Sohn des Bierbrauers Joseph W. und der Franziska W., geb. Göller, Vater u. a. von Josef (II.) W., Dominik (I.) W. und Gustav W., Großvater von Josef (III.) W. und Dominik (II.) W. (alle s. u.), Urgroßvater von Josef (IV.) W. (s. u.) und Dominik (III.) W. (geb. Wien, 6. 9. 1881; gest. ebd., 4. 4. 1970); verheiratet mit Barbara W., geb. Knollmayr (geb. Stein / Krems an der Donau, NÖ, 8. 11. 1794; gest. 24. 4. 1835). – W. erlernte die Bierbrauerei, begab sich 1807 auf Wanderschaft und kam 1808 nach Wien. Bis 1810 arbeitete er in der Brauerei Stammersdorf und in Baden bei Wien, anschließend bis 1812 im Brauhaus St. Marx, später im Bürgerspital-Brauhaus Leopoldstadt. Im Dezember 1816 eröffnete er mit finanzieller Hilfe seines Vaters in der ehemaligen Sattlergasse beim Kärntnertor ein Geschäft, in dem er Handel mit Käse und Schmalz betrieb. Aus bescheidenen Anfängen konnte er seinen Betrieb rasch in die Höhe bringen, denn er kaufte direkt bei den Erzeugern ein und konnte somit seine Waren viel günstiger anbieten. Bereits Ende Oktober des Jahres hatte er eine umfangreiche Gewerbeberechtigung erhalten, die neben Milchprodukten und Eiern Fleisch, Getreide(erzeugnisse), Obst und Gemüse, Gewürze, aber auch Seifen und Kerzen, Brennholz, Heu, Stroh, Sägespäne und Sand umfasste. Schon 1834 – W. besaß ab 1821 die „Salz-Ausmaßelungs-Lizenz“ – war das Geschäft zu klein geworden. W. übersiedelte in ein Gewölbe in der Komödiengasse beim Bürgerspital, wo sein Wohlstand und sein Ansehen ständig wuchsen. 1843 legte er den Bürgereid ab. Im selben Jahr erhielt er die Fragnerberechtigung für Mehl und Kolonialwaren. Nach W.s Tod übernahmen Josef (II.) W. (geb. Wien, 4. 3. 1815; gest. ebd., 25. 6. 1884) und Dominik (I.) W. (geb. Wien, 26. 1. 1820; gest. ebd., 20. 4. 1886), der gelernter Drechsler war, das Geschäft, das nun in Gebrüder Wild umbenannt und kontinuierl. ausgebaut wurde. Ihre Kunden bedienten die Brüder selbst – eigenes Personal leistete man sich noch nicht. 1874 bot sich die Gelegenheit, das ehemalige Einkehrwirtshaus Zum rothen Dachel am sog. Mehlmarkt (Neuer Markt) zu erwerben. Das neue Lokal bot zusätzl. ausgedehnte, zwei Stock tiefe Keller, die eine entsprechende Einlagerung der Waren ermöglichten. Die Brüder führten ursprüngl. Limburger Käse, Groyer (sog. Inländer Schweizer), Brimsen und Olmützer Quargel. Später kamen Schweizer Emmentaler und die besten Importkäse hinzu. W.s jüngster Sohn Gustav W. (geb. Wien, 6. 9. 1831; gest. ebd., 1914), ein gelernter Fleischhauer, eröffnete im Freihaus auf der Wieden eine Käsehandlung, die er bis 1893 erfolgreich führte. 1886 wurde die Fa. Wild von den beiden Söhnen Dominiks (I.) und seiner Frau Aloysia W., geb. Fally, Josef (III.) W. (geb. Wien, 10. 12. 1861; gest. ebd., 27. 2. 1948) und Dominik (II.) W. (geb. Wien, 5. 9. 1854; gest. ebd., 12. 9. 1922) übernommen. Sie heirateten später die Schwestern Louise und Marie Dommayer, Töchter des Besitzers von Dommayers Casino. Die dritte Generation modernisierte das Geschäft, Fernsprecher und elektr. Licht wurden eingeführt, das Personal aufgestockt. V. a. spezialisierte man sich auf die beliebten französ. Käse sowie auf Salami. Waren konnten nun per Fernsprecher geordert werden und wurden durch eine kleine Flotte von gelben Pferdewagen auch an Detaillisten zugestellt. Zudem wurde das Detailgeschäft von der En-gros-Abt. getrennt. 1890 erhielten Dominik (II.) und Josef (III.) W. das Hoftiteldekret. Ihre Kundschaft rekrutierte sich aus allen Ges.schichten, zu den prominentesten Käufern zählten neben Kronprinz →Rudolf etwa Erzhg. →Franz Salvator und Erzhgn. →Marie Valerie, Erzhg. →Franz Ferdinand und →Sophie Gfn. Chotek sowie K. →Karl. 1897 erwarben die Gebrüder W. das Nebenhaus Neuer Markt 11. Bis 1898 wurden beide Häuser geschleift und zu einem Neubau vereint, dessen Fassade sich bewusst an den neu errichteten Gebäudekomplex des Hotels Meissl & Schadn im Stil der dt. Renaissance anlehnte. Im Angebot fanden sich nun immer mehr Delikatessen, aber auch selbst erzeugte kleine Happen, Konserven aller Art oder der beliebte W.’sche Kremsersenf. Die Brüder unternahmen Stud.reisen nach Dtld., Belgien, Großbritannien, Frankreich und in die Niederlande. Ihnen wird auch die Einführung von Käsebäckerei in Wien zugeschrieben. Während sich Dominik (II.) mehr um das Wr. Geschäft kümmerte, war Josef (III.) eher an der Käseerzeugung interessiert. Er hatte als junger Mann die Käsereischule im preuß. Proskau besucht und später in der Normandie die Camembert-Produktion stud. In Doren im Bregenzerwald wurde 1900 über Josefs (III.) Initiative vom Ackerbaumin. die erste Käsereischule der Monarchie gegr. Der starke Importdruck auf heim. Käse veranlasste ihn dazu, 1910 in Neumarkt im Hausruckkreis eine nach modernsten Verfahren arbeitende Weichkäserei einzurichten, die er seinem Sohn Josef (IV.) W. (1891–1948) übergab. Vor Ausbruch des 1. Weltkriegs wurden tägl. 2.000 l Milch verarbeitet. Der dort erzeugte „Sirius“-Weichkäse konkurrierte bald mit solchem aus Frankreich. Wenig später wurde in Frankenmarkt ein Zweigwerk, spezialisiert auf Käse des Romadur-Typs, eröffnet. Auch österr. Emmentaler von bester Qualität wurde hergestellt. Die Fa. erhielt den Namen Josef Wild & Sohn. Ab 1923 gab es eine Schmelzkäserei, die Schachtelkäse ohne Rinde herstellte. Josef (III.) W. war zudem als Experte im damaligen Ackerbaumin. aktiv. Er war k. Rat und Ritter des Franz Joseph-Ordens (1906). Dominik (II.) W. zog sich 1915 aus der Fa. zurück und setzte seinen Sohn Dominik (III.) W. als seinen Nachfolger ein. Obwohl der 1. Weltkrieg den Aufstieg des Hauses unterbrach – Dominik (III). musste einrücken –, konnte Josef (III.) W. die Fa. durch alle kriegsbedingten Fährnisse führen: Verlust des großen Absatzgebiets – die Fa. hatte in alle Regionen der Monarchie exportiert –, Lebensmittelmangel und die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre. In den Kriegsjahren und danach dienten die Keller des Hauses als Verteilungsstätten der Lebensmitteleinfuhrorganisationen. Dominik (IV.) W. (1911–2009) führte ab Dezember 1930 das Geschäft, das in den 1950er-Jahren modernisiert wurde.

L. (meist auch für die anderen Familienmitgl.): J. Leb, Das Haus W. in Wien, 1936 (m. B.); R. Granichstaedten-Czerva u. a., Altösterr. Unternehmer, 1969; W. Filek-Wittinghausen, Aus der Schatz-Kammer der Wr. Kauffmannschafft, 1987, S. 97ff.; Ch. Kokkinakis, Die Familien Köchert, W. und Zacherl, phil. DA Wien, 1993, passim; HHStA, Pfarre St. Augustin, beide Wien. – Josef (III.) W.: Jb. der Wr. Ges., 1929.
(I. Haslinger)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 209f.
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