Wranitzky (Vranický, Wraniczky, Wranisky, Wranizki), Anton (Antonín) (1761–1820), Komponist, Violinist, Dirigent und Pädagoge

Wranitzky (Vranický, Wraniczky, Wranisky, Wranizki) Anton (Antonín), Komponist, Violinist, Dirigent und Pädagoge. Geb. Neu Reisch, Mähren (Nová Říše, CZ), 13. 6. 1761; gest. Wien, 6. 8. 1820; röm.-kath. Halbbruder des Komponisten, Violinisten und Dirigenten Paul (Pavel) W. (geb. Neu Reisch, 30. 12. 1756; gest. Wien, 26. 9. 1808), Vater des Violinisten und Komponisten Anton Karl Wenzel W. (geb. Wien, 27. 9. 1796; gest. St. Veit, NÖ / Wien, 8. 7. 1829), des Cellisten Friedrich Johannes Paul W. (geb. Wien, 14. 5. 1798; gest. Dresden, Sachsen/D, 11. 12. 1839, Suizid) sowie der Sängerinnen →Karoline Seidler-W. und Anna Kraus-W. (s. u.); ab 1792 mit Anna Maria W., geb. Erhard (gest. 1836), verheiratet. – W. absolv. die unteren Lateinkl. des Prämonstratenserklosters in Neu Reisch, sang im dortigen Chor und erhielt ersten Violinunterricht durch seinen Halbbruder. In Brünn stud. er Phil. und auch einige Semester Jus. Ab Anfang der 1780er-Jahre lebte W. hauptsächl. in Wien. 1782/83 wirkte er als Regens chori an der Kapelle der Savoyischen Ritterakad. (1783 durch Joseph II. aufgehoben). In Wien vervollkommnete er seine musikal., insbes. kompositor. Ausbildung bei Joseph Haydn, Johann Georg Albrechtsberger und vermutl. auch bei Wolfgang Amadeus Mozart und entwickelte sich zu einem angesehenen Violinvirtuosen und -lehrer. Spätestens im Juni 1790 trat er in die Dienste des Beethoven-Mäzens →Joseph Franz Maximilian Fürst v. Lobkowitz und betätigte sich als Komponist, Lehrer, Konzert- bzw. Kapellmeister (1797–1815) abwechselnd in Wien, Prag sowie auf den böhm. Landsitzen des Fürsten wie Raudnitz, Bilin und Eisenberg. W. war 1808–20 als Nachfolger seines verstorbenen Halbbruders Paul als Orchesterdir. der Wr. Hoftheater angestellt und übernahm 1824 auch die Leitung des Orchesters im Theater an der Wien. Zudem leitete er 1812–16 den k. k. Hoftheater-Musikverlag. Nach dem Ableben des Fürsten (1816) wurde er von dessen Nachfolger →Ferdinand Fürst v. Lobkowitz übernommen. W. war befreundet mit Haydn (dessen Oratorium „Die Schöpfung“ er für Streichquintett bearb.) und mit →Ludwig van Beethoven (an dessen Werkauff. sich W. gelegentl. beteiligte); um 1813 schloss er Bekanntschaft mit Carl Maria v. Weber, den er 1819 in Dresden besuchte. Durch sein verdienstvolles Wirken als Violinvirtuose, Komponist und Musikpädagoge gehörte W. zu den Begründern des Wr. Violinstils, der sog. Wr. Geigenschule. Zu seinen Schülern zählten →Ignaz Schuppanzigh und →Joseph Mayseder. Er verf. das mehrfach aufgelegte didakt. Werk „Violin Fondament nebst Einer vorhergehenden Anzeige über die Haltung sowohl der Violine, als auch des Bogens“ (1804). Seine Vokal- und Instrumentalwerke sind überwiegend handschriftl. überliefert, ein Teil der Kammermusik erschien im Druck, hauptsächl. in Wien (Franz Anton Hoffmeister; Magazin de Musique) und Offenbach (Johann André). Hervorzuheben sind W.s techn. anspruchsvolle, brillante Violinkonzerte sowie seine teils an Haydns Stil angelehnten, teils romant. Züge aufweisenden Streichquartette und sein Beitr. zur Entwicklung des Sextetts mit exponiert konzertierender Solovioline zum Bravoursextett. Seine Tochter Anna Kraus-W. (W.-Kraus) (geb. Eisenberg, Böhmen / Jezeří, CZ, 27. 8. 1799; gest. Wiesbaden, Nassau/D, 23. 6. 1851; röm.-kath.), ab 1820 Ehefrau des Diplomaten Anton Kraus, wurde wie ihre Schwester Sängerin (Sopran). Die musikal. Ausbildung erhielt sie von ihrem Vater sowie durch →Joseph Weigl und →Adalbert Gyrowetz, 1812–16 nahm sie auch Unterricht bei →Antonio Salieri. In den von ihrem Vater veranstalteten Konzerten trat sie bereits 1815 gem. mit ihren Brüdern öff. auf. 1816 debüt. sie am Wr. Kärntnertortheater, wo sie bis 1820 Mitgl. war und noch später, ebenso wie an den anderen Wr. Theatern, des Öfteren sang. 1823–36 gastierte sie in verschiedenen dt. Städten als Konzert- und Opernsängerin. Als k. Hof- und Kammersängerin war sie bei den Hofkonzerten in Wien zu hören. 1837 beendete sie ihre Künstlerlaufbahn.

Weitere W. (s. auch Grove; MGG; Český hudební slovník …): Symphonien; Orchesterouvertüren; Quintette für Streicher oder Oboe und Streicher; Streichtrios und -duette; Kirchenmusik (u. a. Messen und Motetten); weltl. Vokalmusik. – Kompositor. Nachlass: Musikarchiv der Familie Lobkowitz, Schloss Nelahozeves, CZ.
L.: Grove, 2001 (m. W.); MGG I, II (m. W.); oeml; Český hudební slovník osob a institucí (online, m. W., Zugriff 19. 10. 2020); Pfarre St. Augustin, Pfarre St. Michael, beide Wien. – Anna Kraus-W.: W. v. Waldbrühl, in: Neuer Nekrolog der Deutschen 29/1, 1853, S. 505ff.; Pfarre St. Augustin, Wien; Pfarre Holešice, CZ.
(U. Wagner)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 351
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