Zimmermann, Robert Edler von (1824–1898), Philosoph

Zimmermann Robert Edler von, Philosoph. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 2. 11. 1824; gest. ebd., 31. 8. 1898 (begraben: Wr. Zentralfriedhof). Sohn von Johann Nepomuk Zimmermann (s. u.); verheiratet mit Henriette Edle v. Z., geb. Böhm. – Z. absolv. das Gymn. und stud. zunächst in Prag (u. a. bei →Franz Serafin Exner), dann in Wien Phil., Mathematik, Physik, Chemie und Astronomie. 1846 wurde er zum Dr. phil. prom., 1847 zum Ass. an der Wr. Sternwarte ernannt. Im Revolutionsjahr 1848 schloss Z. sich der Akadem. Legion an. Nach seiner Habil. 1849 wurde er noch im selben Jahr als ao. Prof. an die Univ. Olmütz berufen. 1852, im Jahr der Schließung derselben, erfolgte der Ruf zum o. Prof. an die Univ. Prag. 1861 wechselte er an die Univ. Wien, wo er 1865/66 und 1876/77 das Amt des Dekans der phil. Fak. sowie 1886/87 jenes des Rektors bekleidete; 1896 emer. Z. entfaltete eine rege Publ.tätigkeit, die sich über verschiedene Gebiete der Phil. erstreckte. Anfängl. war er stark von →Bernhard Bolzano beeinflusst, der ihm als Freund der Familie während seiner Gymn.zeit zusätzl. Privatunterricht in Phil. und Mathematik erteilte. Unter dem Einfluss Exners wandte er sich der Phil. Johann Friedrich Herbarts zu und galt als einer der Hauptvertreter des Herbartianismus. Bes. einflussreich war seine Ästhetik in zwei Bänden, deren erster, „Geschichte der Aesthetik als philosophischer Wissenschaft“ (1858), als erste Darstellung der Geschichte der Ästhetik überhaupt gilt. Im zweiten Band, „Allgemeine Ästhetik als Formwissenschaft“ (1865), entwickelt Z. eine Formästhetik, die als Gegenentwurf zu der von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Theodor Vischer geprägten Gehaltsästhetik auftritt. Z.s „Philosophische Propädeutik“ (2 Bde., 1852–53, 3. Aufl. 1867) war über viele Jahrzehnte als Lehrbuch an den österr. Gymn. sehr weit verbreitet. In seinem phil. Spätwerk, „Anthroposophie im Umriss“ (1882), entwirft er ein System im Sinne einer „idealen Weltsicht auf realistischer Grundlage“. Neben seinen phil. Publ. verf. Z. über 1.000 Kritiken, die auch sein starkes Interesse für Musik, das wohl vom Austausch mit dem befreundeten →Eduard Hanslick mitgeprägt war, und Literatur widerspiegeln. 1890 gründete er gem. mit →Emil Reich die Grillparzer-Ges. mit Sitz in Wien. Er wurde 1869 zum w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien gewählt, 1874 HR und 1889 Ritter des Leopold-Ordens. 1896 erfolgte seine Erhebung in den Adelsstand mit dem Prädikat „Edler von“. Sein Vater, der Lehrer, Philosoph und Schriftsteller Johann Nepomuk Zimmermann (geb. Bilin, Böhmen / Bílina, CZ, 14. 5. 1793; gest. Dejwitz, Böhmen / Praha, CZ, 25. 4. 1869; röm.-kath.), ab 1823 verheiratet mit Franziska Pistl (Pistel), stud. nach dem Besuch des Gymn. in Prag (1803–10) Phil. bei Bolzano sowie Jus. Seine Laufbahn als Gymn.lehrer begann er 1817 in Iglau, setzte diese 1819 in Pisek und ab 1822 in Prag fort. 1844 wurde er in die Stud.hofkomm. nach Wien berufen und mit der Ausarbeitung einer Reform der österr. Gymn. beauftragt. Aus gesundheitl. Gründen, aber auch aufgrund von Differenzen mit anderen Reformbeteiligten, wie Exner und →Hermann Bonitz, trat Johann Nepomuk Z. 1849 i. d. R. Danach lebte er teils in Wien, teils in Raditsch und auf seiner Besitzung Herzowka in Dejwitz bei Prag. Er verf. geistl. Lieder (u. a. das mehrfach aufgelegte „Das Gebeth des Herrn in 8 Liedern“, 1828), Ged., Sonette mit polit. Thematik sowie Volkslieder („Oesterreichʼs Volkslied. Gott! erhalte unsern Kaiser ...“, 1848). Teile seiner Werke erschienen u. a. in „Der Geist des Christenthums dargestellt in den heiligen Zeiten ...“, in der „Monatschrift der Gesellschaft des vaterländischen Museums in Böhmen“ sowie in der Z. „Der Novellist“. Bekanntheit erreichte er als Verf. eines weitverbreiteten Messlieds für die Prager Univ.kirche (Salvatorkirche) sowie als Mithrsg. von „Krug und Bolzano“ (1837). Ab 1841 war er Mitgl. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss.

Weitere W. (s. auch Wurzbach): Leibnitz und Herbart. Eine Vergleichung ihrer Monadologien, 1849; Stud. und Kritiken zur Phil. und Aesthetik, 2 Bde., 1870. – Johann Nepomuk Zimmermann: s. Goedeke; Wurzbach.
L.: NFP, 3. 9. 1898 (Parte); ADB; Almanach Wien 49, 1899, S. 310ff. (m. B.); H. Spitzer, in: Biograph. Jb. 3, 1900, S. 202ff.; Eisenberg 1; oeml; Wurzbach (m. W.); E. Reich, Jb. der Grillparzer-Ges. 9, 1899, S. 322ff.; E. Winter, R. Z.s phil. Propädeutik und die Vorlagen aus der Wiss.lehre B. Bolzanos, 1975; D. Fisette, in: Herbartism in Austrian Philosophy, ed. C. Maigné, 2021, S. 33ff.; 650 plus – Geschichte der Univ. Wien (online, m. B., Zugriff 7. 9. 2021); G. Payzant, E. Hanslick and R. Z. A biographical sketch (online, Zugriff 1. 3. 2022). – Johann Nepomuk Zimmermann: WZ, 29. 4. 1869; Goedeke (m. W.); Wurzbach (m. W.); Archiv hlavního města Prahy, Praha, CZ.
(W. Huemer – D. Angetter)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 73, 2022), S. 546f.
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