Beer, Alois (Aloys) (1833–1897), Schriftsteller, Maler und Handwerker

Beer Alois (Aloys), Schriftsteller, Maler und Handwerker. Geb. Dobruška, Böhmen (CZ), 27. 2. 1833; gest. ebd., 10. 10. 1897. Sohn des Fuhrmanns Johann Beer und von Josepha Beer, geb. Pešek; verheiratet. – B. erlernte den Beruf eines Drechslers, begab sich 1849 auf die Walz nach Wien und kehrte 1852 wegen des Todes seines Vaters zurück. Danach brach er neuerlich zu Reisen auf, war in Bayern, in der Steiermark, in Krain, in der Lombardei und in Venetien. 1858 errichtete B. eine Holzschnitzerwerkstatt und später auch einen Laden in seinem Heimatort. 1873 besuchte er die Weltausstellung in Wien. Neben seinem erlernten Beruf arbeitete B. als Gürtler sowie Vergolder und handelte auf Jahrmärkten mit Gemischtwaren. Wegen wachsender finanzieller Schwierigkeiten und familiärer Zwistigkeiten unternahm B. einen Selbstmordversuch. Nach dem Tod seiner zweiten Frau übergab er sein Gewerbe seinem Sohn, widmete sich danach seinem Hobby, dem Zeichnen und Malen, und wanderte durch Böhmen. Auf der Wirtschafts- und Industrieausstellung in Gutenfeld 1892 weckten seine Zeichnungen das Interesse des Prager Photographen Jindřich Eckert, wodurch B. erstmals öffentliche Anerkennung fand. Er starb wenige Jahre später verarmt. Seit seiner Jugend zeichnete B. seine Reiseerlebnisse und Erfahrungen, versehen mit Illustrationen, in ca. 70 Heften und auf losen Blättern auf. Sie belegen seine Beobachtungsgabe bei gleichzeitiger Sachlichkeit und Anschaulichkeit in der Darstellung. Er zeigte sich an Technik und Architektur interessiert sowie am zeitgenössischen Geschehen wie der Revolution 1848 oder dem Preußisch-Österreichischen Krieg 1866, aber auch an seinen Mitmenschen, ihren Charaktereigenschaften und ihrem Verhalten. B.s Arbeiten gelten nicht nur als wertvolles historisches und ethnographisches Quellenmaterial, sondern ebenso als Beispiel eines spontanen und ästhetisch eindrucksvollen Erzähltalents. Das Interesse an seinem Werk steht im Zusammenhang mit der Rezeption der naiven und autodidaktischen Kunst in der Tschechoslowakei seit den 1930er-Jahren. Im Besonderen haben sich die Maler Josef Čapek und Adolf Kroupa sowie die Schriftsteller František Halas, Jaromír John und →Vladislav Vančura mit B. auseinandergesetzt. 1936 erschienen B.s Memoiren „Nevděk“ aus dem Nachlass, ediert von Karel Michl, und erhielten große Aufmerksamkeit von Kritik und Publikum.

Weitere W.: Lituji, že nejsem básník, ed. K. Michl – R. Skřeček, 1970; Na vandru, ed. K. Michl, 1973; Památnosti mého podomováni, ed. K. Michl, 1978. – Nachlass: Městské muzeum Dobruška, CZ.
L.: BSČZ; LČL; K. Michl, in: Impuls 3, 1968, S. 545ff.; L. Hladký, in: Orlické hory a Podorlicko 5, 1973, S. 322ff.; J. Matějček, in: Studie k sociálním dějinám 19. století 5, 1995, S. 169ff.; I. Harák, in: Populární literatura v české a slovenské kultuře po roce 1945, 1998, S. 84f.; T. Winter, in: Umění 48, 2000, S. 435ff.; Ch. Rothmeyer, Die entzauberte Idylle. 160 Jahre Wien in der tschechischen Literatur, 2004, s. Reg. (mit Bild); A. B. kronikář, písmák a malíř, ed. J. Mach, 2005; L. Procházka, in: Zprávy památkové péče 66, 2006, S. 68f.; M. Vlčková, in: Východočeský sborník historický 23, 2013, S. 175ff.; Atlas spontánního umění / Atlas of spontaneous art, ed. P. Konečný – Š. Kadlčák, 2016, s. Reg.; P. Gierowski, in: Studia et Documenta Slavica 1, 2017, Nr. 2, S. 61ff.
(V. Petrbok)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)