Chwalla, Ernst (1901–1960), Bautechniker

Chwalla Ernst, Bautechniker. Geb. Wien, 28. 8. 1901; gest. Graz (Steiermark), 1. 6. 1960; röm.-kath. Sohn des Fabrikanten Rudolf Chwalla und von Helene Chwalla. – C. maturierte an der Staatsrealschule in Wien 7. Nach Abschluss des Bauingenieurstudiums an der Technischen Hochschule Wien 1924 lehrte und forschte er daselbst als Assistent an dem von →Friedrich Hartmann geleiteten Lehrstuhl für Brückenbau, wo er 1926 mit einer Dissertation über Seitensteifigkeitsprobleme offener Brücken brillierte. Ein Jahr später erschien seine erste Veröffentlichung, „Die Stabilität eines elastisch gebetteten Druckstabes“ (in: Zeitschrift für angewandte Mathematik und Mechanik 7, 1927). Schon 1928 habilitierte er sich an der Technischen Hochschule Wien mit der Arbeit „Beiträge zur Stabilitätstheorie“. Bis zur Aufnahme seiner Lehrtätigkeit als Professor für Baustatik an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn 1931 publizierte C. 20 Aufsätze in namhaften Fachzeitschriften. Dabei prägte er mit der Stabilitätstheorie ein Forschungsfeld aus, das ihn zum Spiritus Rector jenes Sondergebiets der Baustatik in ihrer Inventionsphase (1925–50) werden ließ. So gelang ihm mit Friedrich Jokisch die Integration des Stabilitätsproblems in das Deformationsverfahren. 1942 legte C. seine „Einführung in die Baustatik“ (3. Aufl. 1954) vor, die sich durch systematischen Einbezug der höheren Festigkeitslehre und Werkstoffmechanik auszeichnet. In den 1940er-Jahren beeinflusste C. maßgeblich die Entwürfe zur deutschen Stabilitätsnorm im Stahlbau (DIN 4114). Nach Kriegsende geriet er in sowjetische Gefangenschaft und von dort in ein tschechisches Arbeitslager. Mit Unterstützung tschechischer Professoren, die um sein Schicksal wussten, wurde eine staatspolizeiliche Untersuchung eingeleitet, die schließlich im Juni 1945 zu C.s Entlassung aus dem Lager führte. Danach baute er u. a. mit Hilfe von →Karl Girkmann in Wien eine neue berufliche Existenz auf. 1947 wurde er als Ingenieurkonsulent für Bauwesen staatlich vereidigt; sein Rat bei baustatischen Fragen, wie sie beim Bau der zahlreichen großen Wasserkraftanlagen in Österreich auftraten, war hochgeschätzt. Daneben nahm C. Lehraufträge an der Hochschule für Bodenkultur in Wien wahr. 1955 berief ihn die Technische Hochschule Graz zum Professor für Baustatik. Mit seinen 45 prägnanten Veröffentlichungen über Stabilitätstheorie im Stahlbau trug C. wesentlich zur Herausbildung der Stahlbauwissenschaft bei. Gleichwohl achtete er stets darauf, dass die Ergebnisse technikwissenschaftlicher Grundlagenforschung für die Ingenieurpraxis adäquat aufbereitet wurden: Davon legt seine letzte große Arbeit mit Hilfstafeln zur Stabtheorie II. Ordnung auf Basis des Deformationsverfahrens Zeugnis ab. 1954 ehrte ihn die Technische Universität Berlin mit dem Titel Dr.-Ing. E. h. 1959 wurde C. wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Mit seinem Tod verlor die Stahlbauwissenschaft einen ihrer besten Vertreter.

Weitere W. (s. auch Sattler): Die Stabilität zentrisch und exzentrisch gedrückter Stäbe aus Baustahl, in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 137/2a, 1928; Theorie des außermittig gedrückten Stabes aus Baustahl, in: Der Stahlbau 7, 1934; Die Kipp-Stabilität gerader Träger mit doppeltsymmetrischem I-Querschnitt, 1939; Über das ebene Knickproblem des Stockwerkrahmens, in: Der Stahlbau 14, 1941 (gem. m. F. Jokisch); Über die Kippstabilität querbelasteter Druckstäbe mit einfachsymmetrischem Querschnitt, in: H. Beer u. a., Beiträge zur angewandten Mechanik. Federhofer-Girkmann-Festschrift, 1950; Über das Einbeulen von Druckschachtpanzerungen, in: Österreichische Bauzeitschrift 12, 1957 (gem. mit H. Steiner); Die neuen Hilfstafeln zur Berechnung von Spannungsproblemen der Theorie zweiter Ordnung und von Knickproblemen, in: Der Bauingenieur 34, 1959.
L.: K. Girkmann, in: Der Stahlbau 20, 1951, S. 126; H. Beer, ebd. 29, 1960, S. 223f. (mit Bild); K. Sattler, in: Der Bauingenieur 35, 1960, S. 275ff. (mit Bild und W.); 150 Jahre Technische Hochschule in Wien 1815–1965, ed. E. Sequenz, 1, 1965, s. Reg. (mit Bild); K.-E. Kurrer, Geschichte der Baustatik, 2016, S. 600ff., 960 (mit Bild); Pfarre Schottenfeld, TU, beide Wien.
(K.-E. Kurrer)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)