Barvitius Anton (Antonín) Viktor, Architekt. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 14. 7. 1823; gest. ebd., 20. 7. 1901. Bruder von →Viktor Barvitius, Schwager des Architekten Ignaz Ullmann. – Nach Absolvierung des Gymnasiums studierte B. zuerst Philosophie und Jus (1841/42) an der Universität Prag, wandte sich dann aber der Architektur zu. 1842–43 besuchte er das Prager Polytechnikum, 1843–44 die Prager Akademie der bildenden Künste und 1844–47 die Wiener Akademie der bildenden Künste, wo er sich bei →Peter Nobile, →Eduard van der Nüll und →August Sicard von Sicardsburg weiterbildete. 1848 machte er sich selbstständig und projektierte hauptsächlich Wohnbauten und Villen, drei Jahre wirkte er im Staatsdienst als Ingenieur-Assistent im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten. 1854 trat er eine, durch ein Staatsstipendium finanzierte, zweijährige Italienreise an, während der er sich als präziser Zeichner der Baudenkmäler des Spätmittelalters und der Renaissance erwies. Danach ließ er sich in Rom nieder, wo er mit Friedrich Overbeck und →Václav Levý Freundschaft schloss. 1856 erhielt er den Auftrag für die Restaurierung des österreichischen Botschaftshauses, des Palazzo Venezia. Die lange vorbereitete und von detaillierten Forschungen begleitete Arbeit („Bericht über den Bestand der Baulichkeiten des k. k. Botschaftshotel in Rom genannt: il Palazzo di Venezia“, 1858, Manuskript, Bibliotheca Hertziana, Rom) wurde jedoch durch die politischen Ereignisse des Jahres 1866 unterbrochen und B. kehrte nach Prag zurück. Dort arbeitete er als selbstständiger Architekt anfangs oft mit seinem Schwager Ullmann zusammen und es entstanden die wichtigsten Prager Bauten der Zeit: die Villa Lippmann und die Villa Lanna in der Vorstadt Bubentsch (beide 1869–71), das Schebek-Palais (1870) und der Kaiser-Franz-Joseph-Bahnhof (1871). Von dem Architektenteam stammen ebenso der Entwurf für den Wiener Kaiser-Franz-Joseph-Bahnhof (erbaut 1870–72) und nicht realisierte Wettbewerbsprojekte für das Prager Künstlerhaus Rudolfinum und den Wiener Justizpalast (beide 1874). 1871–74 schuf B. auch eines seiner Hauptwerke, die Villa Gröbe in den Königlichen Weinbergen (Prag), die an ein monumentales italienisches Landhaus erinnert. Seine Arbeit am Josef-Jungmann-Denkmal (1875–78), wofür er zum Ehrenmitglied des Vereins Svatobor ernannt wurde, öffnete ihm den Weg in tschechisch-national gesinnte Kreise. Ab 1875 widmete sich B. gänzlich der Tätigkeit für die Christliche Akademie (Akademie křesťanská v Praze); bis 1893 fungierte er als Vorsitzender von deren Kunstsektion. Auf Betreiben der Akademie entwarf B. eine Reihe von Altären und liturgischen Geräten, die als Musterstücke gelten, weiters wurden nach seinen Angaben mehrere Kirchen ausgestattet oder restauriert. Zu seinen weiteren Arbeiten zählen Familiengrüfte. 1875–80 war er Konservator der Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale und 1883–95 Obmann der Kunst-Sektion im Dombauverein. Für seine Verdienste um die christliche Kunst erhielt B. 1882 von Papst Leo XIII. den Orden des Hl. Gregor des Großen. Sein Hauptwerk stellt die 1881–85 erbaute St. Wenzels-Kirche in Prag-Smichow dar, in der er die Formen der Hochrenaissance mit dem Raumtypus der frühchristlichen Basilika verband. Obwohl die großen Aufträge B.s dem Stil der Neorenaissance angehören, war er keineswegs bloß auf diese Richtung beschränkt, vielmehr war jeder Entwurf für ihn ein künstlerisches Problem, das er durch sorgfältiges Studium und schrittweises Vergleichen verschiedener Varianten löste. Besonders bei liturgischen Geräten und Grüften wandte er sämtliche Stile von der Romanik bis zur Renaissance an. Seine Arbeiten wurden besonders wegen der Harmonie der Proportionen und der feinsinnigen Dekoration geschätzt. B. war a. o. Mitglied der IV. Klasse der Kaiser Franz Joseph-Akademie der Wissenschaften, Literatur und Kunst in Prag, Mitglied der Prüfungs-Kommission für das Lehramt des Freihandzeichnens an Mittelschulen in Prag und wurde 1848 Mitglied der Wiener Akademie der bildenden Künste. Sein Nachlass befindet sich im Národní technické muzeum in Prag.