Dreger, Moritz (Moriz) (1868–1939), Kunsthistoriker

Dreger Moritz (Moriz), Kunsthistoriker. Geb. Wien, 3. 6. 1868; gest. ebd., 26. 4. 1939; evang. AB. Sohn des aus Niedersachsen stammenden Karl Dreger, Chefredakteur der „Presse“, Bruder u. a. von →Julius Dreger und Luise Dreger, verheiratet mit Otto von Falke, dem Direktor der Staatlichen Museen in Berlin; ledig. – D. besuchte ab 1878 das Schottengymnasium, ab 1886 studierte er an der Universität Wien u. a. Kunstgeschichte sowie Geschichte, Klassische Archäologie und Philosophie bei Franz Wickhoff, →Alois Riegl, →Friedrich August Otto Benndorf sowie Heinrich Zeißberg und absolvierte den Kurs am Institut für österreichische Geschichtsforschung; 1891 Dr. phil. 1892–93 Volontär am Kupferstichkabinett der Wiener Hofbibliothek, schloss er sich einer österreichischen Expedition zur Ausgrabung des Trajanmonuments in der Dobrudscha an und unternahm Studienreisen innerhalb von West- und Mitteleuropa sowie in den Orient. 1893/94 war er Stipendiat am Österreichischen Historischen Institut in Rom. Danach folgten wieder Studienreisen nach Südfrankreich und nochmals nach Italien. Anschließend unterrichtete er für einige Jahre Kunstgeschichte an der Fachschule für Kunststickerei. 1897 trat er auf Empfehlung von Riegl und Wickhoff eine Stelle am Österreichischen Museum für Kunst und Industrie an und wurde dort 1901 zum Kustos sowie 1909 zum Vizedirektor ernannt. Seine Hauptbeschäftigung war die Neuordnung und wissenschaftliche Erschließung der Textilsammlung, der Ankauf bedeutender Sammlungsobjekte (u. a. romanischer Gösser Ornat) sowie die Veranstaltung verschiedener Ausstellungen. Daneben verfasste er mehrere Publikationen, wobei der Schwerpunkt auf dem Kunstgewerbe lag („Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei“, 3 Bde., 1904). Weiters veröffentlichte er Schriften zur Architektur („Über Johann Lukas von Hildebrandt“, in: Kunst und Kunsthandwerk 10, 1907; „Baugeschichte der k.k. Hofburg in Wien …“, 1914) und Malerei bzw. Graphik („Josef Führich“, 1912). Zusätzlich war er 1900–17 an der Akademie der bildenden Künste in Wien als Dozent für Kunstgeschichte tätig; 1901 habilitierte er sich für Neuere Kunstgeschichte bei Wickhoff und Riegl. 1917 erfolgte seine Berufung an die kunsthistorische Lehrkanzel der Universität Innsbruck in der Nachfolge →Hans Sempers. D. lehrte hier das Fach in seiner gesamten Breite, aber auch Spezialthemen wie Ostasiatische Kunst oder die Entwicklung des Kunstgewerbes, und erforschte die Baugeschichte der Innsbrucker Hofburg (publiziert 1921) sowie des Doms zu St. Jakob (publiziert 1924). 1919 wurde er in den Vorstand der Kunstsektion des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum gewählt und setzte sich in dieser Funktion für die Neuaufstellung der Gemäldegalerie des Museums ein. 1926 trat D. die Nachfolge von →Josef Neuwirth an der Technischen Hochschule Wien an. Bis zu seiner Emeritierung 1936 entstanden wichtige architekturhistorische Arbeiten wie „Zu den Salzburger Kirchenbauten Fischers von Erlach“ (in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 6, 1929) sowie „Zur Baugeschichte der Wiener Karlskirche“ (ebd. 9, 1934). Zu seinen Dissertanten zählten die Kunsthistoriker Vinzenz Oberhammer und Josef Ringler sowie der Architekt Gustav Hoppe. Als Vertreter der Wiener Schule der Kunstgeschichte verband D. in seinen Publikationen Theorie mit kunsthistorischer Praxis, durch sein Wirken im Museum, in der Denkmalpflege, in der Gewerbeschule und an der Universität trug er die Idee →Rudolf von Eitelberger-Edelbergs einer Reform des Kunstgewerbes in Österreich weiter. Ab 1904 Korrespondent der Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, wurde er 1911 Mitglied des Denkmalrats; 1908 Regierungsrat.

Weitere W.: Der englische Garten und seine Beziehung zur Baukunst, in: Allgemeine Bauzeitung 61, 1896; Das Flavische Amphitheater in seiner ersten Gestalt, ebd.; Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei innerhalb des europäischen Kulturkreises, 1904; Der Gösser Ornat im k.k. österr. Museum für Kunst und Industrie, 1908; Beginn und Blüte der Wiener Seidenweberei, 1915; Ansichten aus dem alten Wien beim Grafen Lanckoronski 1918, in: Ausgewählte Kunstwerke der Sammlung Lanckoronski, 1918; Dürer und Innsbruck, 1924.
L.: Innsbrucker Nachrichten, 4., Salzburger Volksblatt, 5. 5. 1939; Czeike (mit Bild); Der Bautechniker 21, 1901, S. 14; Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg 3, 1920, H. 60, S. IX; J. v. Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte, 1934, S. 215; K. Ginhart, in: Forschungen und Fortschritte 15, 1939, S. 216; J. Ringler, in: Tiroler Heimatblätter 39, 1964, H. 10/12, S. 20ff.; 150 Jahre Technische Hochschule in Wien 1815–1965, ed. H. Sequenz, 2, 1965, s. Reg.; W. Wagner, Die Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien, 1967, s. Reg.; G. Oberkofler, Die geschichtlichen Fächer an der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck 1850–1945, 1969, S. 207ff.; Ch. Bertsch, in: Kunsthistoriker. Mitteilungen des Österreichischen Kunsthistorikerverbandes 3, 1986, H. 1/2, S. 30; 100 Jahre Kunstgeschichte an der Universität Graz, ed. W. Höflechner – G. Pochat, 1992, s. Reg.; Th. Brückler – U. Nimeth, Personenlexikon zur Österreichischen Denkmalpflege, 2001; F. Fellner – D. A. Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; U. Marinelli, in: Kunst :: Wissenschaft. Eine fächerübergreifende Untersuchung am Beispiel der Universität Innsbruck, ed. S. Moser-Ernst – Ch. Bertsch, 2019, S. 405ff.; TU, UA, beide Wien; UA, Innsbruck, Tirol.
(U. Marinelli)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), S. 199
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