Fürth, Josef (Joseph) Ritter von (1822–1892), Industrieller und Politiker

Fürth Josef (Joseph) Ritter von, Industrieller und Politiker. Geb. Strakonitz, Böhmen (Strakonice, CZ), 30. 12. 1822; gest. Wien, 28. 4. 1892; mos. Sohn von →Wolf Fürth, Bruder von Eduard (Elias) Fürth (geb. Strakonitz, 1. 9. 1819; gest. Laibach, Krain / Ljubljana, SLO, 28. 8. 1854), Jakob Wolf Fürth (geb. Strakonitz, 16. 4. 1816; gest. ebd., 8. 7. 1889) und →Moritz Fürth, Vater u. a. von →Emil Ritter von Fürth und →Otto Ritter von Fürth; verheiratet in 1. Ehe mit Mathilde Fürth, geb. Forchheimer, ab 1856 in 2. Ehe mit Wilhelmine von Fürth, geb. Forchheimer (gest. Heidelberg, Deutsches Reich/D, 27. 3. 1904), einer Verwandten seiner 1. Frau. – F. erhielt seine kaufmännische Ausbildung in Prag, Wien, Hamburg und Triest, wo er ein Seidenwarengeschäft betrieb. Nach dem Ableben seines Bruders Eduard trat er als Gesellschafter in das von seinem Vater gegründete Unternehmen Wolf Fürth & Co. in Strakonitz ein. Unter seiner Geschäftsführung gemeinsam mit seinen Brüdern Jakob und Moritz baute man die Firma mit ihrer Führungsposition innerhalb der österreichischen Fezindustrie weiter aus. Binnen eines Jahrzehnts wurde die Produktion, in der Hunderte Fabriksarbeiter und Heimarbeiterinnen mit der Herstellung von Fezen in zahlreichen Modellen und Qualitäten beschäftigt waren, verdreifacht. Die Firma hielt eine Reihe von Patenten zur Verbesserung der Produktionsvorgänge, u. a. auf eine Bügelmaschine und eine Zylinderwalke. Das 1858 erlassene Markenschutzgesetz ermöglichte F. als erstem Unternehmer seiner Branche die Registrierung einer Marke, der zahlreiche weitere folgten. In allen Hauptstädten des Orients war das Unternehmen mit Depots vertreten. Gemeinsam mit der Firma Weill deckte man mehr als die Hälfte des jährlichen Bedarfs an Fezen für Konstantinopel. Besonders beliebt waren die von F. erzeugten Feze in Syrien, aber auch nach Ostafrika und in die USA bestanden Geschäftsbeziehungen. Wolf Fürth & Co. belieferte außerdem die ägyptische, die französische und die italienische Armee mit Militärkappen. Für seine hervorragenden Erzeugnisse wurde das Unternehmen mehrfach ausgezeichnet, so auf der Weltausstellung in London 1862 mit einer Preismedaille, auf der Pariser Weltausstellung 1867 mit der Silbermedaille, auf der Weltausstellung in Wien 1873 mit der Fortschrittsmedaille und auf der Pariser Weltausstellung 1878 schließlich mit der Goldmedaille. 1861–66 und 1869 wurde F. als Vertreter der Pilsener Handels- und Gewerbekammer in den böhmischen Landtag delegiert und war dort bis 1882 tätig. 1870–85 gehörte er dem Reichsrat als Deutschliberaler an. Sein Wirken als Abgeordneter ist u. a. mit dem jahrelangen Einsatz für den Bau der Arlbergbahn verbunden. 1880 wurde F. in den Adelsstand erhoben. Er war Ritter der Eisernen Krone III. Klasse (1880) und des Franz Joseph-Ordens (1873), Träger des Ordens der Légion d’honneur und des belgischen Leopoldsordens. Darüber hinaus wirkte er als Kurator des k. k. Österreichischen Handelsmuseums sowie als Präsident des Kuratoriums der Baron-Hirsch-Stiftung. Ab den 1880er-Jahren stagnierten die Gewinne von Wolf Fürth & Co. Nach dem Tod von F. und dessen Bruder Moritz wurde von den Nachfahren die Einverleibung der Firma in die 1899 gegründete Actiengesellschaft der österreichischen Fezfabriken in die Wege geleitet.

L.: NFP, 14. 2. 1880, 28. 4. 1892 (Abendblatt); Adlgasser; Lex. böhm. Länder; Katalog der österreichischen Abtheilung. Internationale Ausstellung zu Paris 1867, 2. Aufl. 1867, S. 103f.; M. Purkhart, Die österreichische Fezindustrie, phil. Diss. Wien, 2006, S. 86ff., 268ff.; G. Gaugusch, Wer einmal war. A–K, 2011; IKG, Wien.
(Ch. Kanzler)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)