Sterrer, Karl (1885–1972), Maler und Graphiker

Sterrer Karl, Maler und Graphiker. Geb. Wien, 4. 12. 1885; gest. ebd., 10. 6. 1972; bis 1938 und ab 1943 röm.-kath. Sohn von →Karl Sterrer d. Ä. und der Lehrerin Sophie Sterrer, geb. Thetter (1857–1932); ab 1911 verheiratet mit Elisabeth (Elise) Berckmüller. – S. studierte nach der Realschule 1901–08 Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei →Alois Delug und →Christian Griepenkerl. Finanziert durch ein Stipendium, hielt er sich länger in Rom auf, danach in Spanien und Frankreich, 1909 kehrte er nach Wien zurück. 1910 präsentierte S. in der 36. Jahresausstellung des Wiener Künstlerhauses das frühe Hauptwerk „Winternacht“ (Österreichische Galerie Belvedere, Wien), wodurch der Sammler und Gastronom Franz Hauer auf ihn aufmerksam wurde und ihm einen längeren Aufenthalt auf Capri ermöglichte. 1913 erzielte S. seinen ersten auswärtigen Erfolg bei der XI. Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast in München („Winterlandschaft bei Puchenstuben“, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, heute verschollen). Die Arbeiten dieser Zeit waren von Renaissance und Romantik inspiriert, seine später so charakteristische monumentale Formensprache entwickelte er erst langsam. Im November 1915 zunächst in einer Arbeitskompanie in der Festungsstadt Iwangorod an der Weichsel eingesetzt, wurde er 1916 ins Kriegspressequartier versetzt, war 1917 in Galizien als Kriegsmaler stationiert und 1918 der Flugstation Triest sowie verschiedenen Abschnitten der Front in Südtirol zugeteilt (Porträts von Kampffliegern, Silhouetten der Tiroler Bergwelt dienten als Vorlagen für die Lithographien-Mappe „Flieger im Hochgebirge“, 1919). Nach dem Krieg schuf S. Aktstudien, Porträts, expressiv wirkende Landschaften und kleinformatige Radierungen sowie allegorische und religiöse Werke („Ölberg“, 1921), die zumeist von seinen beiden wichtigsten Sammlern und Förderern, Georg Duschinsky und Hugo Krieser, angekauft wurden. 1921 wurde er Lehrer, 1922 o. Professor für Malerei an der Akademie der bildenden Künste; zu seinen Schülern zählten u. a. Hans Fronius, Leopold Birstinger, Leopold Hauer, Werner Berg, Rudolf Szyszkowitz, Max Weiler, Karl Weiser, Arnulf Neuwirth und Rudolf Hausner. 1923 entstand „Das Leben“, eine klassische Komposition lebensgroßer Aktfiguren, ihr folgten zahlreiche allegorische Bildwerke mit weiteren Aktdarstellungen. Zusätzlich entwarf S. Sujets für Briefmarken (Wohltätigkeits- und Flugpostmarken) und Bilder für Banknoten, zumeist gemeinsam mit →Rudolf Junk. 1926 bzw. 1934 präsentierte er mehrere Arbeiten auf der Biennale in Venedig, 1928 wurde sein Bild „Gerechtigkeit“ im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts in Wien enthüllt. Mit seinem 1929 begonnenen Gemälde „Die Entarteten“ lieferte er einen konservativen Kommentar wider Jazzmusik, Laszivität und deren negativen, vermeintlich jüdischen, Einfluss auf die bürgerliche Kultur – außer Acht lassend, dass seine wichtigsten Sammler dem jüdischen Bürgertum angehörten. Ab 1930, nach seiner Reise in die USA auf Einladung des Carnegie-Instituts in Pittsburgh, entwickelte er großes Interesse für chinesische Malerei, geistig begann seine stetig enger werdende Bindung an die katholische Kirche. Die Hinwendung zu religiösen Themen verband ihn mit →Clemens Holzmeister und stiftete den Kontakt zu Karl Rudolf, Mitbegründer des Bunds Neuland. 1934 fertigte S. das letzte Porträt von →Engelbert Dollfuß und führte mit Holzmeister das 106 m2 große „Christkönig“-Mosaik (1936) für die Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche in Wien 15 und das Glasfenster „Johannes der Täufer“ (1932) für die Krimkirche in Wien 19 (zerstört) aus. 1937 bis zum „Anschluss“ war er Rektor der Akademie. Existenziell, aber auch psychisch schwer beeinträchtigt, versuchte sich S. mit dem neuen Regime zu arrangieren und stellte ein Ansuchen um Aufnahme in die NSDAP (Beitritt 1940). 1939 wurde er entgegen dem Betreiben von Leopold Blauensteiner, Präsident des Künstlerhauses und Leiter der Reichskammer der bildenden Künste in Wien, als Lehrer reaktiviert und in die Reichskulturkammer aufgenommen. Die damals entstandenen Tierbilder, mit keltischen Symbolen und Hakenkreuz versehen, fanden zwar wenig Anklang in Nazikreisen, trotzdem erhielt er Porträtaufträge (→Hugo Jury, 1941, 1943) und präsentierte 1939 Werke in der Ausstellung „Berge und Menschen der Ostmark“. Sein ambivalentes Engagement belastete ihn jedoch und er zog sich deshalb ab 1943 mehrmals ins Zisterzienserstift Zwettl zurück. Wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP wurde S. 1945 seiner Lehrtätigkeit enthoben. 1946 folgte eine Umwandlung des Urteils in einen dauernden Ruhestand. Ab 1945 beschäftigten S. zumeist religiöse Themen, auch allegorische Arbeiten, die er als „Mahnmale“ verstand. In zahlreichen Texten zur „Kunst unserer Zeit“ erwies er sich als scharfer Kritiker der zeitgenössischen Malerei und des Kirchenbaus und schrieb Plädoyers für eine Erneuerung der religiösen Kunst. Einige wenige Ausstellungen folgten: 1955 in der Akademie der bildenden Künste, 1962 im Künstlerhaus; das Heeresgeschichtliche Museum, das zahlreiche seiner Bilder zum 1. Weltkrieg besitzt, zeigte seine Piloten-Porträts (1971). Weitere Arbeiten befinden sich in der Österreichischen Galerie Belvedere, im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste und in der Graphischen Sammlung Albertina. S. war 1910–31 Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus). 1914 erhielt er den Kaiser-Preis, 1916 den Drasche-Preis, 1921 den Bundesstaatspreis des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht, 1929 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1957 den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.

Weitere W.: Das Gewicht der Erde (Atlas, Titan), 1910; Klagelied, 1913; Der Kogel, 1914; Gottfried Freiherr von Banfield, 1918; Beethoven, 1920; Serie von Radierungen „Maler und Modell“, 1920; Traum vom Berg (mehrere Fassungen), 1925, 1926; Grüne Madonna 1932, 1935; Der Alte – Erdgebunden, 1941 oder 1942; Mahnmal Gottsohn, 1945–52; Zwei Pferde, eine Taube, 1953–56 (Mosaiken, Theodor Körner-Hof, Wien 5); Porträt Ossip Zadkine, um 1967.
L.: AKL; Thieme–Becker; A. Weixlgärtner, K. S., 1925; M. v. Millenkovich-Morold, K. S., 1927; E. Fiedler, Die Kunst des Bundes Neuland …, Diss. Graz, 1989; Im Reich der Kunst. Die Wiener Akademie der Bildenden Künste und die faschistische Kunstpolitik, ed. H. Seiger, 1990, s. Reg.; K. Zangerl, K. S., DA Innsbruck, 1999; Das ist Österreich, ed. Ch. Bertsch, Bregenz 2015, S. 16ff. (Kat.); V. Pawlowsky, Die Akademie der bildenden Künste Wien im Nationalsozialismus, 2015, s. Reg.; J. Seiter, in: Franz Hauer, ed. Ch. Bauer, Krems 2019, S. 119ff. (Kat.); Pfarre Altlerchenfeld, Wien.
(Ch. Drobe – J. Seiter)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)