Cavallar, Maria (eigentl. Marianne) Luise; geb. Schönberger, Ps. Maria Strathen (1889–1977), Schauspielerin, Lehrerin, Rezitatorin, Sprecherin und Schriftstellerin

Cavallar Maria (eigentl. Marianne) Luise, geb. Schönberger, Ps. Maria Strathen, Schauspielerin, Lehrerin, Rezitatorin, Sprecherin und Schriftstellerin. Geb. Wien, 22. 4. 1889; gest. ebd., 20. 12. 1977; evang. AB. Tochter des Buchdruckereibesitzers und Herausgebers von Finanzzeitschriften Ignaz Robert Schönberger (geb. 20. 11. 1846; gest. 12. 10. 1919; ursprünglich mos., ab 1886 evang. AB) und seiner Frau Luise Schönberger, geb. Horn; ab 1920 verheiratet mit einem Pionier des Flugwesens, Major und Feldpilot a. D. Ferdinand Cavallar Ritter von Grabensprung (geb. Aussig, Böhmen / Ústí nad Labem, CZ, 15. 3. 1886; gest. Wien, 10. 8. 1952), Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse, Ehrenpräsident des Österreichischen Aero-Clubs. – Nach privatem Schauspielunterricht bei →Ferdinand Gregori erhielt C. 1906/07 erste kleine Rollen am Stadttheater Brünn. Es folgte ein Engagement am Wiener Raimundtheater unter →Sigmund Lautenburg für die Saison 1907/08. Die darauffolgende Spielzeit feierte sie unter ihrem Pseudonym Erfolge am Stadttheater Salzburg, u. a. als Klärchen in Goethes „Egmont“, als Luise in Schillers „Kabale und Liebe“, als Hedwig in Ibsens „Die Wildente“ oder als Julia in Shakespeares „Romeo und Julia“. 1909 fand zu ihren Gunsten eine Benefizvorstellung von Ernst von Wildenbruchs „Die Rabensteinerin“ statt. Während des 1. Weltkriegs unterstützte C. ihren Vater und arbeitete als Krankenbetreuerin in einem in der Technischen Hochschule Wien untergebrachten Kriegshilfsspital. Ab 1919 wirkte sie als Lehrerin für Sprechtechnik am Lutwak-Patonay Konservatorium (heute: Prayner Konservatorium). Zahlreiche später aus Rundfunk, Theater oder Fernsehen und Film bekannte Persönlichkeiten wie etwa Cissy Kraner, Bert Fortell, Hanns Obonya, Lona Dubois, Rosemarie Isopp, Peter Fichna, Martha Wallner, Hilde Sochor oder Waltraut Haas wurden von ihr unterrichtet. Sie war beliebt und blieb mit vielen ihrer Studierenden ein Leben lang in Kontakt. Ab 1926 arbeitete C. als Rundfunksprecherin unter dem Journalisten und Schriftsteller Hans Nüchtern in der Literaturabteilung der RAVAG (Radio Verkehrs AG), v. a. für die Frauen- und Kinderstunde sowie als Märchen- und Sagenerzählerin. Später stellte sie nicht nur Beiträge zusammen, sondern verfasste unzählige Porträts, Essays, Hörspiele und Kurzgeschichten. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Schaffen von Frauen. Da sie nach nationalsozialistischer Diktion als „Halbjüdin“ galt, wurde sie aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen und konnte nach der Machtübernahme bis 1945 keiner offiziellen Tätigkeit nachgehen. In den Nachkriegsjahren gab sie Privatunterricht und arbeitete erneut für die RAVAG, verfasste darüber hinaus Beiträge für den Sender Rot-Weiß-Rot sowie die Sendergruppe West. Bereits in den 1920er-Jahren hatte sich C. als Rezitatorin v. a. von Gedichten, später auch von selbstverfassten Kurzgeschichten, einen Namen zu machen begonnen. In verschiedenen Sälen, u. a. im Wiener Konzerthaus oder im Musikverein, hielt sie „melodramatische Vorträge“ mit Schwerpunkt auf sogenannter Frauenlyrik. C. organisierte in ihrer Funktion als Leiterin der Kultursektion sowie als Vizepräsidentin des vom Nationalratsabgeordneten Eduard Ludwig 1946 gegründeten Verbands der Geistig Schaffenden Österreichs (heute: Verband Geistig Schaffender und Österreichischer Autoren) jahrzehntelang unzählige Veranstaltungen ebenso wie für den Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, als dessen Präsidentin sie 1966–77 fungierte. Geschickt nutzte sie die durch ihre vielfältigen Rollen erlangte Bekanntheit und die entstandenen Kontakte in der Wiener Kulturszene, um v. a. das künstlerische Schaffen von Frauen sichtbar zu machen. Werke von Schriftstellerinnen wie Käthe Braun-Prager und →Hilda Bergmann oder Kompositionen von Hedwig Frank-Autherid finden sich immer wieder in den Programmen, wenn nicht von C. selbst vorgetragen, so häufig von ihren Studierenden, die sie ebenso förderte. 1959 wurde C. für ihre Leistungen und ihr Engagement der Professorentitel h. c. verliehen, 1970 das Silberne Verdienstzeichen des Landes Wien und 1972 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Ein Teilnachlass befindet sich im Theatermuseum sowie einzelne Materialien wie Briefe in der Wienbibliothek im Rathaus und in der Österreichischen Nationalbibliothek.

W.: Ungedruckte Kurzgeschichten und Rundfunkbeiträge (Teilnachlass im Theatermuseum), u. a. Lady Hester Stanhope. Eine Frau ohne Furcht, 1947; Österreichische Frauendichtung in der Emigration, Folge 1–2, 1947; Dichterin in der Fremde. K. Braun-Prager zum 60. Geburtstag, 1948; Eine österreichische Schriftstellerin erlebt Amerika, 1948; Die Dame im Turm. Archivarin – ein neuer Frauenberuf, 1949; H. Bergmann. (Aus ihrem lyrischen Schaffen), 1949; Als Gast im Windsor Castle, o. J.
L.: Das Kleine Volksblatt, 19. 4. 1959; Kosch; Neuer Theater-Almanach, 1907–09; G. J. Meinel-Kernstock, D. von Stockert-Meynert und der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien, phil. Diss. Wien, 1948, S. 203f.; Who’s who in Austria 6, ed. R. Bohmann – St. S. Taylor, 1967; S. Schmid-Bortenschlager, in: Jahrbuch der Universität Salzburg 1981–83, 1984, S. 124ff.; Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–45, 2, ed. F. Trapp, 1999, S. 146; Kürschners deutscher Literatur-Kalender. Nekrolog. 1971–98, 1999; A. L. Staudacher, Jüdisch-protestantische Konvertiten in Wien 1782–1914, 1, 2004; 125 Jahre Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen: 1885–2010 zum Jubiläum, ed. H. Helnwein, 2010; P. Wimmer, Der Mensch ist an das Wort gebunden. Zum 75. Geburtstag von M. L. C. (Manuskript, Nachlass Wimmer / Wienbibliothek im Rathaus).
(C. Mayerhofer)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)