Hartmann, Friedrich (1876–1945), Bautechniker

Hartmann Friedrich, Bautechniker. Geb. Troppau, Schlesien (Opava, CZ), 29. 3. 1876; gest. Wien, 16. 1. 1945; röm.-kath, später konfessionslos. Sohn des Hauptmanns Josef Hartmann (geb. 14. 10. 1829; gest. 17. 6. 1890) und der Rosa Hartmann, geb. Wanke; in 1. Ehe mit seiner Cousine Elisabeth, geb. Roßmanith, in 2. Ehe mit Elisabeth Riehl, geschiedene Rothermann, verheiratet. – H. maturierte 1894 an der Staatsrealschule in Troppau und nahm anschließend das Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Hochschule in Brünn auf, wo er 1901 die II. Staatsprüfung ablegte. 1900–02 war er Assistent an der Lehrkanzel für Brückenbau bei →Joseph Melan und promovierte 1910 in Brünn zum Dr. techn. über die „Genauere Berechnung von Parallelträgern mit einem doppelten System von Zugdiagonalen und Ständern“. 1902–15 war er als Konstrukteur und Oberingenieur bei verschiedenen Eisenbaufirmen tätig (u. a. Ignaz Gridl, Waagner-Biró, Brückenbauanstalt Zöptau). Während des 1. Weltkriegs unterrichtete er als Landsturm-Oberleutnant (ab 1917 Hauptmann der Reserve) 1915–18 höhere Mathematik und Brückenbau an der Militärakademie in Mödling. Noch während dieser Zeit wurde er 1916 zum o. ö. Professor des Brückenbaus (ab 1940 für Stahlbau) an der Technischen Hochschule in Wien ernannt und amtierte bis zu seinem Tod als Vorstand der Lehrkanzel für Brückenbau. H. übernahm zahlreiche akademische Funktionen: Er war 1922–24 Dekan der Bauingenieurschule und 1928/29 Rektor der Technischen Hochschule in Wien, 1928–37 wirkte er zunächst als Mitglied, ab 1933 als 2. stellvertretender Vorsitzender und ab 1936 als Vorsitzender der II. Staatsprüfungskommission für das Bauingenieurwesen. 1943 wurde er Mitglied der Diplom-Hauptprüfungskommission für das Bauingenieurwesen für den Fachbereich Stahlbau. 1927–37 war er Rat des österreichischen Patentgerichtshofs. Neben seinen Aufgaben als akademischer Lehrer entwickelte H. das Fachgebiet des Stahlbaus und speziell des Brückenbaus weiter. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt war die Baustatik, insbesondere die Stabilität von Stahl betreffend. Seine Arbeiten bildeten die Grundlage für die Neufassung der einschlägigen österreichischen Vorschriften über zulässige Spannungen im Stahlbau. Außerdem stellte er neue Grundsätze zur Gestaltung von Brückentragwerken auf. In der Praxis wirkte er maßgeblich bei der Projektierung, Beratung und Begutachtung bedeutender Stahlbauwerke wie der (ersten) Wiener Reichsbrücke und der Donaukanalbrücken mit. Damit zählt er zu den Bahnbrechern des Stahlbetonbaus im Brückenbau. H. verfasste neben zahlreichen Aufsätzen in Fachzeitschriften einige grundlegende Werke zu Fragen des Brückenbaus, darunter die posthum von Melan herausgegebene Monographie „Stahlbrücken“ (1951) als Band 3 in dessen Reihe „Der Brückenbau“. 1928 initiierte er eine internationale Fachtagung für Brücken- und Hochbau, aus der die Internationale Vereinigung für Brückenbau und Hochbau hervorging. Er wurde 1925 als einer der ersten Techniker zum wirklichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien gewählt, 1944 auch zum korrespondierenden Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Prag. Zu seinen Schülern zählten u. a. →Karl Girkmann und →Ernst Chwalla.

Weitere W. (s. auch Poggendorff 7a): Die statisch unbestimmten Systeme des Eisen- und Eisenbetonbaues, 1913, 2. Aufl. 1922; Die genauere Berechnung gelenkloser Gewölbe und der Einfluß des Verlaufes der Achse und der Gewölbestärken, 2. Aufl. 1925; Ästhetik im Brückenbau unter besonderer Berücksichtigung der Eisenbrücken, 1928; Knickung, Kippung, Beulung, 1937.
L.: Almanach Wien 95, 1947, S. 346ff. (mit Bild); Czeike; Jb. der Wr. Ges.; 150 Jahre Technische Hochschule in Wien 1815–1965, ed. H. Sequenz, 1–2, 1965, s. Reg.; Eine Sammlung von außerordentlicher Geschlossenheit. Die Rektorengalerie der Technischen Universität Wien, ed. J. Mikoletzky, 2015, S. 109 (mit Bild); TU, WStLA, beide Wien.
(J. Mikoletzky)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 8, 1958), S. 195
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