Wahliss, Ernst (Carl Ernst David) (1837–1900), Großindustrieller und Hotelier

Wahliss Ernst (Carl Ernst David), Großindustrieller und Hotelier. Geb. Oschatz, Sachsen (D), 1. 3. 1837; gest. Wien, 18. 7. 1900; evang. AB. Sohn von Carl Ernst David Wahliss und Ernestine Wilhelmine Wahliss, geb. Dorn, Vater von →Erich Wahliss und Hans Carl Wahliss (geb. Wien, 8. 5. 1870; gest. ebd., 2. 10. 1900), die gemeinsam die Nachfolge im Unternehmen übernahmen; ab 1863 verheiratet mit Anna Elisabeth Emilie Wahliss, geb. Bahr (geb. Wittenberg, Preußen / Lutherstadt Wittenberg, D, 17. 2. 1839; gest. Wien, 23. 7. 1903), Tochter des Pastors Carl Bahr (1800–1871). – W. begann seine berufliche Laufbahn als Handelsreisender einer Porzellanwarenmanufaktur und ließ sich 1863 in Wien nieder, wo er ein Geschäft im Heinrichshof in der Inneren Stadt eröffnete. Der Verkauf der Waren der k. k. priv. Porzellan-Fabrik von Fischer & Mieg in Pirkenhammer bei Karlsbad zu sehr günstigen Preisen hatte großen Erfolg, worauf W. eine eigene Porzellanmalerei einrichtete. 1879 ließ er nach Plänen des Architekten →Gustav Korompay von Baumeister Johann Görlich in der Kärntner Straße 17 sein „Porzellanhaus“, einen fünfstöckigen Bau mit gefliester Fassade von Carl Knoll aus Karlsbad, erbauen. Zur Eröffnung des neuen Standorts kam Kaiser →Franz Joseph I., wie auch 1893, um die Waren der Firma Wahliss vor ihrer Verschickung zur Weltausstellung in Chicago zu besichtigen. 1899/1900 nahm W.’ Unternehmen an der Winterausstellung des Museums für Kunst und Industrie in Wien teil. Auch in Australien (1879 Sydney, 1880 Melbourne, 1887 Adelaide) stellte W. aus. 1894 kaufte er die Stellmachersche Porzellanfabrik in Turn bei Teplitz. W. erzeugte nicht nur kunstvolles Tafelgeschirr, Porzellanfiguren und Puppenköpfe, sondern auch Sanitärkeramik, wie u. a. die Waschbecken für das neue Burgtheater. Er expandierte mit seinem Unternehmen nach London und errichtete dort 1883 ein Engrosgeschäft. Fünf Jahre später eröffnete er ein eigenes Porzellanwarenhaus in der Oxford Street, wo er u. a. Waren der Firma Zsolnay vertrieb. In Berlin richtete er 1896 ein Musterlager ein. 1885 wurde der Bau des Zinshauses in der Wiener Alleegasse (heute Argentinierstraße) 21 vollendet, in dem W. auch selbst wohnte, der damals angrenzende Park befand sich ebenfalls in seinem Besitz. W. war darüber hinaus ein Pionier des Tourismus in Kärnten: 1872 erwarb er die gesamte Liegenschaft der Wörtherseebad AG. Zehn Jahre später kaufte er in Pörtschach vier Villen, den Badestrand sowie Wiesengrundstücke und schuf daraus das Etablissement Wahliss mit insgesamt 13 Hotelbauten, einem Seebad, Tennisplätzen und einem Restaurant. Die Entwürfe stammten von heimischen Architekten; der „Pörtschacher Marmor“ wurde als Baumaterial verwendet. Zudem ließ W. die Pörtschacher Halbinsel zu einem Naturpark umgestalten. 1891 kaufte er ein Gasthaus am Schiffsanlegeplatz sowie die Ruine des Schlosses Velden, das er durch den Architekten und Direktor der Klagenfurter Bau- und Kunsthandwerkerschule Wilhelm Heß im Stil der Neorenaissance rekonstruieren ließ. In dem nun nur mehr zweistöckigen Bau richtete er ein Luxushotel ein, das mit seinen Dependancen Park- und Strandvilla insgesamt 150 Zimmer hatte. W. steigerte mit diesen Einrichtungen die Touristenzahlen um rund ein Viertel. Er ließ wöchentlich Veranstaltungen wie die bekannten Militärkonzerte abhalten. W. engagierte sich auch karitativ: In den 1890er-Jahren gewährte er dem evangelischen Pfarrer in Waiern einen zinslosen Kredit für einen Hauskauf zwecks Einrichtung eines evangelischen Schülerheims in Klagenfurt; für die Arbeiter und Angestellten der Firma gab es verschiedene Wohlfahrtseinrichtungen. Zudem war Kommerzialrat W. in der evangelischen Gemeinde aktiv, Mitglied der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich und Förderer der Zeitung „Evangelischer Hausfreund“.

W.: Wiener Serapis-Fayence, Novemberheft der „Deutschen Kunst und Dekoration“ (Sonderdruck, um 1924).
L.: NFP, 19. 7. 1900, 7. 11. 1913; Wurzbach; Allgemeine Bauzeitung 53, 1888, S. 31f.; Sport & Salon 3, 1900, Nr. 30, S. 3; Teplitz-Schönauer Anzeiger 40, 1900, Nr. 85, S. 5f.; Wiener Magazin 3, 1929, Nr. 3, S. 8 (mit Bild); Le arti a Vienna. Dalla Secessione alla caduta dell’Impero asburgico, ed. M. Abate – D. Perocoli, Venezia 1984, S. 585 (Kat.); W. Filek-Wittinghausen, Aus der Schatz-Kammer der Wiener Kaufmannschaft, 1987, S. 93ff.; A. Lehne, Wiener Warenhäuser 1865–1914, 1990, S. 130ff.; J. Weinmann, Egerländer Porzellan und Steingut 1792–1945, 1999, S. 107f.; A. Kreuzer, Kärntner. Biographische Skizzen 12.–20. Jahrhundert, 2001, S. 89ff.; M. Salzer – P. Karner, Vom Christbaum zur Ringstraße, 2. Aufl. 2008, S. 149f.; M. Gschwandner-Eikins, Juwelen in Kärnten, 2012, S. 128; R. Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, s. Reg.; H. Distelberger, in: Carinthia I, 2015, S. 315ff.; Ernst-Wahliss.at (Zugriff 28. 2. 2022, mit Bild); A. Ahrens, Das Warenhaus Wahliss Porzellanhaus (online, Zugriff 28. 2. 2022); Lutherische Stadtkirche, Wien.
(R. Müller)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)