Ernst, Hugo (1840–1930), Steinmetzmeister und Architekt

Ernst Hugo, Steinmetzmeister und Architekt. Geb. Wien, 5. 2. 1840; gest. Baden bei Wien (Niederösterreich), 26. 9. 1930 (Suizid); röm.-kath. Sohn von →Leopold Ernst und Eleonora Ernst, geb. Hertl, Schwager von →Friedrich Schachner; ab 1884 verheiratet mit Maria Kayser, geb. Bayer (1843–1914), die bis zu ihrer Scheidung mit →Karl Gangolf Kayser verheiratet gewesen war; der aus dieser Ehe stammende Sohn Ernst Kayser wurde 1935 gerichtlich als Sohn E.s anerkannt und könnte demzufolge ein uneheliches Kind von E. und Maria Kayser gewesen sein. – Seine Ausbildung erhielt E. in der Werkstatt seines Vaters bzw. in dessen Position als Dombaumeister von St. Stephan in Wien. Ein akademisches Studium E.s wurde zwar kolportiert, ist aber nicht nachweisbar. Er arbeitete auch beim Nachfolger seines Vaters, dem Dombaumeister →Friedrich Freiherr von Schmidt, als Bauführer. Ab 1869 war E. Gesellschafter der Wiener Baugesellschaft, zu deren Teilhabern Schmidt zählte, ab 1871 fungierte er als deren Inspektor und 1872 konnte er als Bevollmächtigter die Wiener Baugesellschaft bei den Verhandlungen mit dem Hofbau-Comité zum Bau der Hofmuseen vertreten. 1872–85 besaß E. die Konzession als Steinmetzmeister, 1873–78 war er Direktor des Steingeschäfts der Wiener Baugesellschaft. 1886 erwarb er gemeinsam u. a. mit dem Arzt und Bürgermeister von Kaltenleutgeben Moritz Reich die Kalkgewerkschaft Stollwiese und die Zementfabrik Kardinalwald in Kaltenleutgeben, als deren Direktor →Theodor Pierus fungierte, der mit einer Stieftochter E.s verheiratet war. Die Arbeit im Atelier seines Vaters beim Umbau von Schloss Grafenegg für August Graf Breuner-Enckevoirt, den E. unter Beteiligung →Ludwig Wächtlers nach dem Tod seines Vaters fortführte und für den er Zeichnungen auf der Pariser Weltausstellung 1867 präsentierte, sowie am Dom von St. Stephan in Wien verschaffte ihm profunde Kenntnisse mittelalterlicher Architektur und besonders des Steinmetzhandwerks, die sicherlich weitere Förderung unter Dombaumeister Schmidt erfuhren. E. trat jedoch auch bei anderen Restaurierungsmaßnahmen nicht als leitender Architekt auf, sondern arbeitete z. B. bei der Regotisierung der Stiftskirche von Heiligenkreuz unter →Dominik Avanzo, für die ihn Schmidt empfohlen hatte, als ausführender und wahrscheinlich auch künstlerisch schaffender Steinmetz. Gemeinsam mit Wächtler, E.s Nachfolger in der Dombauhütte von St. Stephan, dem wohl die eigentliche Planungsarbeit zuzuschreiben ist, baute er 1873/74 ein eigenes Wohnhaus in der ehemaligen Alleegasse (heute Plößlgasse 2, Wien 4) in Formen der sogenannten Altdeutschen Renaissance mit wirksamem Einsatz von Stein an den Fassaden (St. Margarethner und Osliper Stein) und im Inneren (Adneter Marmor) im Sinn der Materialgerechtigkeit. Mit nahezu identischem Materialeinsatz, allerdings in klassischerem Formenrepertoire, das sowohl Renaissance- als auch Barockformen rezipiert, errichtete er 1876/77 wohl nach Plänen seines Schwagers Friedrich Schachner ein weiteres Wohnhaus in der Gußhausstraße 28. Ab 1883 entstand die eigene Villa Elfenhain in Kaltenleutgeben, die Stadtbaumeister →Josef Wenz ausführte, erneut mit Einsatz von gedrungenen Marmorsäulen zur Strukturierung der zentralen inneren Erschließungshalle, allerdings in den traditionellen Formen städtischer Landhausarchitektur. E. war 1862–66 und ab 1885 Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), ab 1871 Mitglied des Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Vereins und ab 1872 der Bau- und Steinmetzmeister-Genossenschaft. 1908 wurde er Ritter des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W.: Steinmetzarbeiten für das Palais Albert Rothschild (abgerissen), 1879–84, die Hofmuseen, 1876, das Neue Rathaus, das Generalkommando (abgerissen) und den Justizpalast (alle Wien); Restaurierungen und Innenausstattungen für das Palais Breuner (Wien 1, Singerstraße, gem. mit Ludwig Wächtler).
L.: Neues Wiener Journal, 27. 9. 1930; RP, 4. 10. 1930; Eisenberg 1; Kosel 1; F. Schachner, in: Allgemeine Bauzeitung 44, 1879, S. 90f.; Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts 2, ed. P. Kortz, 1906, S. 13, 396; Badener Zeitung 50, 1929, Nr. 15, S. 3, 51, 1930, Nr. 11, S. 2f.; R. Wagner-Rieger, Wiens Architektur im 19. Jahrhundert, 1970, S. 219; Historismus und Schloßbau, ed. R. Wagner-Rieger – W. Krause, 1975, S. 74, 76, 141; H. Scharsching, Villa Elfenhain …, 2006; Architektenlexikon Wien 1770–1945 (mit Bild, Zugriff 11. 6. 2019); Pfarre St. Josef zu Margareten, Wien.
(R. Kurdiovsky)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)