Modrakowski, Jerzy (Georg Leopold) (1875–1945), Pharmakologe

Modrakowski Jerzy (Georg Leopold), Pharmakologe. Geb. Bromberg, Preußen (Bydgoszcz, PL), 3. 4. 1875; gest. Wrocław (PL), 14. 6. 1945 (begraben: Warszawa, PL); vermutlich röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Władysław (Leopold) Modrakowski und der Serafina Modrakowska, geb. Ciastowska, Vater u. a. des Tierarztes Andrzej Stanisław Modrakowski (geb. 6. 7. 1924; gest. 2007) und der Biologin Jadwiga Serafina Modrakowska-Skiba (geb. 23. 2. 1935); ab 1900 in 1. Ehe verheiratet mit Eleonora Modrakowska, geb. Martin, ab 1920 mit der Sängerin und Lehrerin Maria Ludmiła Modrakowska, geb. Kruczkiewicz (geb. 10. 12. 1896; gest. 12. 10. 1965), ab 1931 mit der Ärztin Romana Modrakowska, geb. Lentz (geb. 8. 8. 1904; gest. 27. 11. 1971). – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Breslau studierte M. 1893–95 Medizin an der dortigen Universität, 1896/97 in München und 1897/98 wieder in Breslau; 1898 Dr. med. in Leipzig. Im Anschluss arbeitete er an der I. Medizinischen Klinik in München bei Friedrich Moritz, 1899–1900 hatte er eine Assistentenstelle am Lehrstuhl für Pharmakologie bei Wacław Sobierański an der Universität Lemberg inne. 1901–02 vertiefte er seine Kenntnisse in Pharmazie zunächst an der Universität Straßburg, 1902 in Berlin und 1902–03 in einem chemischen Labor in Milwaukee. Danach folgten weitere Fortbildungen in Graz und Wien, 1904 kehrte er nach Lemberg zurück. Ab 1905 wirkte M. als Assistent bei →Leon Popielski an der Universität Lemberg, wo er sich 1906 mit der Arbeit „Filia digitalis ze stanowiska farmakognostycznego” als Privatdozent für Pharmakognosie habilitierte; 1909 Erweiterung der venia legendi für Pharmakologie. 1906 erhielt M. eine Assistentenstelle für Hygiene an der Universität Lemberg, in den Sommermonaten 1907–14 praktizierte er als Internist in Bad Kissingen und vertiefte zu dieser Zeit seine Kenntnisse an pharmakologischen Einrichtungen in Utrecht, Heidelberg, Frankreich, England, im heutigen Österreich und in der Schweiz; 1912 ao. Professor für Pharmakologie und Pharmakognosie an der Universität Lemberg. 1914–15 wirkte er als Assistent an der medizinischen Klinik bei Rudolf Staehelin in Basel, 1915–16 diente M. zunächst als Chefarzt im Militärspital Olmütz und danach in gleicher Funktion im Kommunal-Epidemiespital „Spinnerin am Kreuz“ in Wien. 1916–17 arbeitete er am anatomischen Institut in Wien bei →Karel Frederik Wenckebach, mit dem er viele Jahre wissenschaftliche Kontakte unterhielt. 1917 ging er als Professor für Pharmakologie an die Universität Warschau, wo er 1918 den Lehrstuhl für Pharmakologie begründete. Zu seinen Schülern zählten u. a. Janusz Supniewski und Emil Leyko; 1919 o. Professor für Pharmakologie. 1919–20 diente M. als Militärarzt in der polnischen Armee. Neben seiner Lehrtätigkeit wirkte er 1920 am Institut für Zahnmedizin in Warschau und leitete 1924–25 die I. Klinik für Innere Medizin an der dortigen Universität. 1927–30 fungierte er als Direktor des Instituts für Zahnmedizin, danach übernahm er wieder die Leitung der I. Klinik für Innere Medizin, 1936–39 stand er der Abteilung für Pharmakologie vor; 1926/27 Dekan der medizinischen Fakultät, 1936–39 Rektor der Akademia Stomatologii, 1939/40 Rektor der Universität. 1941–44 unterrichtete M. an der Prywatna Szkoła Zawodowa dla Pomocniczego Personelu Sanitarnego w Warszawie. Im Warschauer Aufstand verhaftet und zunächst zwangsweise in einem deutschen Krankenhaus eingesetzt, wurde er schließlich in ein Lager in Breslau gebracht. M. untersuchte die physiologischen und pharmakologischen Eigenschaften von Cholin, befasste sich mit Ursachen und Therapien von Magen-Darm-Erkrankungen, mit der Wirkung von Morphium und Opiumpräparaten auf den Verdauungstrakt, mit dem anaphylaktischen Schock, dem Einfluss von Diuretika auf die Nierenfunktion, mit dem Kreislaufsystem sowie mit der allgemeinen und experimentellen Pathologie der Lunge. Er galt als Schöpfer neuer Medikamente, darunter des Gelacids. Seine rund 100 Arbeiten auf Polnisch, Deutsch und Englisch erschienen u. a. in der „Wiener Klinischen Wochenschrift“, der „Münchner Medizinischen Wochenschrift“, im „Wiener Archiv für innere Medizin“, in den „Comptes rendus des séances de la Société de biologie”, im „Lekarz Wojskowy“, in der „Polska Gazeta Lekarska“ sowie im „Bulletin de l’Académie Polonaise des Sciences et des Lettres. Classe de Médecine“. Weiters arbeitete er am 3. Band des „Handbuchs für innere Medizin“, herausgegeben 1917 von Leo Mohr und Staehelin, sowie an den Lehrbüchern von →Adolf Beck und Napoleon Cybulski „Fizjologia człowieka“ (2. Aufl. 1924), „Farmakologia z toksykologią, recepturą i farmakognozją” (1926), „Podręcznik farmakologji dla lekarzy i studentów“ (1936, gemeinsam mit Janusz Supniewski) mit. Erwähnenswert ist auch „Ueber den Einfluss des Pituitrins auf die Konzentration und den Chlorgehalt des menschlichen Blutserums“ (in: Zeitschrift für experimentelle Pathologie und Therapie 20, 1919, gemeinsam mit Gustav Halter). Weiters fungierte M. als Redakteur der „Revue de pharmacologie et de thérapeutique expérimentale“. Ab 1922 war er Mitglied der Akademia Nauk Lekarskich, ab 1927 des Towarzystwo Naukowe Warszawskie, 1927–29 Präsident des Polskie Towarzystwo Biologiczne, ab 1930 korrespondierendes, ab 1934 o. Mitglied der Polska Akademia Umiejętności sowie ab 1937 Mitglied der Société de chimie biologique in Paris und Kurator des Stowarzyszenia Kulturalno-Towarzyskiego Beatia. 1937 trat er als Sachverständiger der Internationalen Drogenkommission im Völkerbund auf. Im selben Jahr erhielt er den Orden Polonia Restituta.

Weitere W. (s. auch PSB; Gliński): Farmakologia wegetatywna, 1949.
L.: WZ, 4. 2. 1906, 14. 7. 1912; Fischer; PSB (mit W.); Pharmazeutische Presse 14, 1909, S. 165; W. Hahn, Kronika Uniwersytetu Lwowskiego 2, 1912, S. 450ff.; A. Peretiatkowicz – M. Sobeski, Współczesna kultura polska, 1932; Z. Albert, Lwowski wydział lekarski w czasie okupacji hitlerowskiej 1941–44, 1975, S. 109; Z. Szreniawski – W. Rewerski, in: Acta Physiologica Polonica 38, 1987, S. 269ff.; W. Wojtkiewich-Rok, Dzieje wydziaіu lekarskiego Uniwersytetu Lwowskiego w latach 1894–1918, 1992, S. 8, 90, 131; Leksykon historii Polski, 1995; A. Śródka, Uczeni Polscy XIX–XX stulecia 3, 1997; J. B. Gliński, Slownik biograficzny lekarzy i farmaceutów ofiar drugiej wojny swiatowej 2, 1999 (mit W.); R. Gawkowski, Poczet Rektorów Uniwersytetu Warszawskiego, 2016, S. 277ff. (mit Bild).
(M. Nadraga)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)