Moroder (Moroder-Lusenberg, Der Lusenberger, Bera Śepl da Jumbiërch) Josef Theodor, Kunsthandwerker, Bildhauer, Maler und Verleger. Geb. St. Ulrich, Tirol (St. Ulrich/Urtijëi/Ortisei, I), 27. 5. 1846; gest. ebd., 16. 2. 1939; röm.-kath. Sohn von Vinzenz Moroder (1810–1854) und Anna Maria Schmalzl (Moidl dl Pech) (1813–1896), Vater u. a. der Bildhauer Johann Baptist Moroder-Lusenberg (geb. St. Ulrich, 20. 2. 1870; gest. ebd., 24. 5. 1932), der während der Abwesenheiten des Vaters die Werkstatt leitete, und Otto Moroder (geb. St. Ulrich, 29. 1. 1894; gest. Mayrhofen, Tirol, 27. 7. 1977), Großvater des Bildhauers Albin Moroder (geb. Schlitters, Tirol, 6. 12. 1922; gest. Mayrhofen, 17. 11. 2007); ab 1869 verheiratet mit Anna-Maria Sanoner da Mauriz (1847–1874), ab 1875 in 2. Ehe mit Felicita Unterplatzer (1850–1909). – M. besuchte ab 1856 die Mal- und Zeichenschule im Benediktinerstift Fiecht, 1858–60 die Kreishauptschule Brixen. Ab 1862 erhielt er im Grödner Überwasser von den Schwestern Mahlknecht Schnitzunterricht und lernte die Arbeiten von Michael Pacher kennen. Im selben Jahr erbte er von seinem Onkel den Hof Lusenberg, der lange seine Heimstätte bleiben sollte. 1866 leistete er freiwilligen Kriegseinsatz bei den Kaiserjägern und setzte danach seine Ausbildung bei dem Bildhauer Franz Prinoth bzw. für einige Wochen an der Akademie der Bildenden Künste in München fort. 1866 gründete er eine eigene Firma und exportierte seine Altäre und Grabmäler in den Folgejahren nach England, Italien, Böhmen (Marienbad) und Wisconsin. Ab 1872 entdeckte M. die Malerei für sich, u. a. angeregt durch →Anna Knit(t)el-Stainer bzw. die Eindrücke der Wiener Weltausstellung 1873. Die finanziellen Mittel seiner 2. Frau ermöglichten ihm schließlich 1876–78 und 1881–84 ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Ludwig von Löfftz, Wilhelm von Diez und →Franz Ritter von Defregger, an dem er sich vorerst orientierte, dessen Bilder er etwa für das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum auf dessen Wunsch kopierte und der ihm Verkaufsmöglichkeiten für Kostümfiguren sowie Reliefs vermittelte. Nach seiner Lösung von Defreggers Malerei – sowohl inhaltlich wie formal – nahm er →Giovanni Segantini („Kuh am Trog mit Langkofel“), Max Liebermann und Lovis Corinth zum Vorbild. Die von diesen angewandte „Lichtmalerei“ und der offene Strich ermutigten M. zu eigenen kraftvollen, koloristisch kühnen Werken, die zu den Höhepunkten seines Œuvres zählen („Der Lehrer“, 1879; „In der Stube zu Jumbierch“, 1896; „Der Harfenspieler“, „Wahrsagerin“). 1878–1900 entstanden kleine „Zustand-Bilder“, deren Gegenstand bäuerliche Interieurs ohne Menschen waren, zunächst im Dunkel der Stube aufgezeichnet, dann die Momentaufnahme mit Lichteinfall durch eine geöffnete Tür („Stadl zu Fëur“; „Fëur. Te medel da porta ora“; „Keller im Mochenital 1891“). In diesen Wahrnehmungsbildern, die selektiv Fragmentarisches und Grenzenloses mit der Dramaturgie der reinen Farbe in ein Bild verschmelzen, verarbeitete er etwa auch den Tod seiner ersten Frau. 1878 erkrankte M. schwer, 1881 hielt er sich in Ancona auf, wo er Charakterköpfe in großem Format porträtierte. Seine Bedeutung im Porträtfach blieb lange unterschätzt („Selbstbildnis“, 1876; „Kopf eines Mannes“; „Toter Christus“; „Anda Lena“, 1912). Ohne Mitleid oder verklärende Romantik malte M. – seinem Vorbild Liebermann entsprechend – Menschen und keine Modelle („Moidl dl Pech – Mutter des Künstlers“, 1893). Neben der Malerei fertigte er Auftragsarbeiten in Holz („Kreuzigungsgruppe“, 1916, im Grödner Stil von Franz Grünewald mit Einschlägen von William Adolphe Bouguereau) bzw. historistische Altargemälde (Hochaltarbild „Hl. Drei Könige“, 1888, Pfarrkirche St. Ulrich). Dabei suchte er immer wieder die Verquickung der Medien und Techniken, der Stil wurde vom Thema bestimmt. M. war ein Eklektiker, der jede Größe und jeden Stil bedienen konnte, mit dem Bemühen um die Kreation eines Gesamtkunstwerks im Makart’schen Sinn. Dieses Streben durchzieht weite Teile seines Werks, etwa, wenn er Defregger-Bilder in Reliefs übersetzte oder Figurinen respektive manichini für Volkskundesammlungen (Bozen, Innsbruck) schuf. 1896–99 wirkte er als Lehrer an der Fachschule St. Ulrich und organisierte im Bemühen um Wiederbelebung der Tracht Sommerfeste, Theateraufführungen und im Winter Schlittenfahrten. Im „Kollmann-Relief“ (nach Defreggers „Das Letzte Aufgebot“, ca. 1913, Schloss Friedburg), beauftragt vom deutschen Stahl-Riesen Krupp in Essen, rückte er Skulptur und Malerei im bildhaften Relief, in einer Darstellung à la schiacciato, eng aneinander. Ihm gelang hier das plastische Gestalten einer Situation, erfasst mit den Augen des Malers. Doch nicht alles aus M.s Hand erweist sich als überzeugend. Die Parallelität der verschiedenen Inhalte, Techniken und Stile hatte auch ihren Preis, nach 1900 näherte sich das eine oder andere dem Kitsch an, der Künstler koppelte sich von der zeitgenössischen Kunstentwicklung ab und wurde wieder zum lokalen „Phänomen“. 1900 erwarb M. die Fëur-Hütte auf der Furnes-Alm oberhalb von St. Ulrich als seinen Rückzugsort, 1904 erbaute er in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lusenberg sein neues Heim, die „Sonnenburg“. M. erhielt 1905 die Goldene Medaille auf der Weltausstellung von St. Louis.