Fischer Betty (Barbara), Sängerin. Geb. Wien, 9. 10. 1887; gest. ebd., 12. 1. 1969 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Hernalser Friedhof); röm.-kath. Tochter des jüdischen Ratsdieners Ludwig Fischer. – Nach Abschluss der Bürgerschule machte F. eine Schneiderlehre (Gesellen- und Meisterbrief). Nebenher nahm sie Gesangsunterricht und fiel durch ihren Stimmumfang von über dreieinhalb Oktaven auf. Bald schon trat sie als Liedsängerin und Soubrette in Wiener Varietés auf, wie dem Trocadero oder dem Ronacher. Dort wurde sie 1910 von →Wilhelm Karczag entdeckt und zunächst ans Raimundtheater engagiert, wo sie schon zwei Jahre später die Titelrolle in →Leo Aschers „Hoheit tanzt Walzer“ kreierte und in über 230 Vorstellungen verkörperte. Es war ihr erster großer Erfolg, nicht zuletzt dank des ihr auf den Leib geschriebenen Walzerlieds „Das Lercherl von Hernals“. 1914 wechselte sie ans Theater an der Wien, das „Burgtheater der Operette“, wo sie die erste „lustige Witwe“ →Mizzi Günther als Primadonna ablöste. Zusammen mit ihrem Dauerpartner Hubert Marischka und dem Buffopaar Louise Kartousch und →Ernst Tautenhayn (s. u. →Richard Tautenhayn) bildete sie das legendäre Musterensemble der „silbernen Wiener Operette“. Ihren endgültigen Durchbruch hatte F. 1916 als moderne Türkin Kondja Gül in →Leo Falls „Die Rose von Stambul“. Weitere Glanzrollen waren die Blanka in →Franz Lehárs „Die Blaue Mazur“ und die Vera Lisaweta in „Der letzte Walzer“ von Oscar Straus. Den Höhepunkt ihrer Karriere erreichte sie 1924 mit der „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kálmán. F. kreierte hier einen neuen mondänen Diventyp: temperamentvoll, aber stolz und unnahbar. Ihre schauspielerischen Defizite machte sie durch ihre für Operettenverhältnisse große Stimme wett. Legendär waren ihre opulenten Kostüme, an deren Entwurf sie maßgeblich beteiligt war. Zu ihren Lieblingsrollen zählten die Titelpartie der Margarete in →Edmund Eyslers Alt-Wiener Operette „Die goldene Meisterin“ (1927) und die russische Tänzerin Nadja in der ersten Jazz-Operette „Der Orlow“ (1925) von →Bruno Granichstaedten, mit dem sie eng befreundet war. 1928 verließ F. ihr Stammhaus, unternahm ausgedehnte Tourneen, spielte in Wien am Johann Strauß-Theater und am Stadttheater, um 1931 noch einmal ans Theater an der Wien zurückzukehren. Drei Jahre später ließ sie sich aus privaten Gründen in Luxemburg nieder. Ihre für März 1934 annoncierte Hochzeit mit Gaston Diderich, dem Bürgermeister der Stadt Luxemburg, kam jedoch nie zustande. Trotzdem blieb F., und als sie wegen ihrer jüdischen Abstammung 1938 nicht mehr nach Wien zurückkehren konnte, verhalf ihr Diderich zu einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis, die ihr auch nach der im Mai 1940 erfolgten Besetzung durch die deutsche Wehrmacht so viel Schutz bot, dass sie unbehelligt in Luxemburg leben konnte. Ihrer Beziehung zu Diderich war es auch zu verdanken, dass sie Granichstaedten und seiner Lebenspartnerin Rosalie Kaufmann luxemburgische Einreisevisa beschaffen konnte, ehe beide 1940 endgültig in die USA auswanderten. F. kehrte 1947 nach Wien zurück, nachdem sie einen Ruf als Professorin ans Konservatorium der Stadt erhalten hatte. Sie starb weitgehend vergessen.