Hagenauer, Karl (1898–1956), Architekt, Bildhauer, Gold- und Silberschmied

Hagenauer Karl, Architekt, Bildhauer, Gold- und Silberschmied. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, SK), 26. 7. 1898; gest. Wien, 31. 3. 1956; röm.-kath. Sohn von →Carl Rudolf Hagenauer und Ottilie Hagenauer, geb. Zentner (1875–1952), Bruder von Grete (Margarete) Hagenauer (1903–1969) und →Franz Hagenauer; verheiratet mit Stephanie Hagenauer, geb. Kropacek (1904–1990). – H. besuchte 1910–12 den Sonderkurs für Jugendkunst bei →Franz Čižek an der Wiener Kunstgewerbeschule. 1912–20 absolvierte er dort sein Architekturstudium bei →Josef Hoffmann, →Oskar Strnad und Adolf Boehm. Nach seinem Militärdienst und noch während seiner Ausbildungszeit trat H. 1919 als ältester Sohn in den väterlichen Betrieb Hagenauer Karl, Ziseleur & Bildhauer in Wien 7 ein. Als ao. Hörer besuchte er 1920–21 gemeinsam mit seinem Bruder Franz die Fachklasse für Bildhauerei bei →Anton Hanak an der Wiener Kunstgewerbeschule. 1921 erhielt H. die Gold- und Silberschmiedegewerbeberechtigung verliehen, 1928 absolvierte er die Meisterprüfung zum Ziseleur und Gürtlermeister. Nach dem Tod seines Vaters (1928) übernahm er die Leitung der nunmehrigen Werkstätte Karl Hagenauer und führte die Geschäfte des Ziseleur- und Gürtlergewerbes sowie der Bronzewaren-Erzeugung gemeinsam mit seinen Geschwistern fort. Zunächst orientierte sich H. an den Stiltendenzen der Wiener Werkstätte. Schon während seines Studiums (1915) entwarf er Schmuck für die Firma Oscar Dietrich, Gold- und Silberschmied in Wien, 1920 kreierte er für die Wiener Werkstätte eine Reihe von Schmuckstücken aus Elfenbein (Haarkämme, Broschen), die von einer Schnitzerin im eigenen Betrieb ausgeführt wurden und sehr große Ähnlichkeit zu Arbeiten von →Dagobert Peche aufweisen. Besondere Anerkennung seiner Zeitgenossen fand ein geschnitzter Elfenbeinfächer, der sowohl auf der Dagobert-Peche-Gedächtnisausstellung 1923 in Wien als auch auf der Pariser Weltausstellung 1925 gezeigt wurde. H.s Vorliebe für geschwungene und florale Linien mit verspielten, fließenden Formen wurde zunehmend durch klare geometrischen Konturen und funktionale, schmucklose Gestaltung in Anlehnung an Josef Hoffmann ersetzt (Lampen, Vasen, Kerzenleuchter, Kassetten etc.). In den 1920er-Jahren entstanden zahlreiche Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände aus Messing, Kupfer, Email, Elfenbein, Stein und Holz. Ab 1930 nahm die Werkstätte Hagenauer Möbel in ihr Produktionsprogramm auf. Der Architekt Julius Jirasek, H.s Studienkollege an der Kunstgewerbeschule, konnte als Mitarbeiter im Familienbetrieb gewonnen werden, wo er für die Ausführung vornehmlich seiner eigenen Entwürfe verantwortlich war. Die neue Formensprache der Möbel war geprägt von funktionalem, einfachem und schmucklosem Design und wurde damit den stilistischen Anforderungen einer Neuen Sachlichkeit gerecht, als deren Wegbereiter sowohl H. als auch Jirasek für alle Gebiete des Kunstgewerbes gelten. H. war ab 1928 Mitglied des Österreichischen Werkbunds sowie ab 1948 der Österreichischen Werkstätten in Wien. Neben dem Ausbau des Familienbetriebs um eine Tischlerei (1930) erweiterte H. seine Firma um eine Verkaufsfiliale am Opernring in Wien 1 (1938), eine Tischlerei- und Drechslereiwerkstätte in Fuschl am See (1945) und um eine Verkaufsfiliale in Salzburg (1947). Nach seinem Tod setzte sein Bruder Franz die Leitung des Unternehmens fort. H. präsentierte seine Arbeiten im In- und Ausland, u. a. auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris (1925), in Philadelphia (1927), auf der Werkbundausstellung (Wien, 1930), bei Der gute billige Gegenstand (Wien, 1931), Das befreite Handwerk (Wien 1934), auf der Pariser Weltfachausstellung (1937), bei der Österreichischen Werkkunst der Gegenwart (Mannheim, 1938/39) und auf der Triennale in Mailand (1948–54). 1934 erhielt er den Österreichischen Staatspreis. Seine Arbeiten befinden sich im MAK, im Leopold Museum und im Wien Museum (alle Wien).

Weitere W.: s. WHW; Hagenauer Zettelkatalog 1957, ed. P. Kovacs, Wien 2011 (Kat.).
L.: A. Weiser, in: Deutsche Kunst und Dekoration 57, 1925–26, S. 158ff.; WHW – Werkstätte K. H. Wien, 1928, Reprint 1999 (mit W.); Werkstätten H. 1898–1971, Wien 1971 (Kat.); R. Beger, in: Weltkunst 56, 1986, S. 3366ff.; M. A. Kutschak, Franz H., DA Wien, 2002, S. 9ff.; T. Beyerle – K. Hirschberger, Designlandschaft Österreich 1900–2005, 2006, S. 123; Kunst und Auktionen 36, 2008, Nr. 19, S. 42ff.; Hagenauer. Wiener Moderne und Neue Sachlichkeit, ed. M. Wenzl-Bachmayer, Wien 2011 (Kat.); Website Galerie H. Wien (mit Bild, Zugriff 24. 4. 2018); MAK, Universität für Angewandte Kunst, beide Wien; Mitteilung Caja Hagenauer, Wien.
(M.-L. Jesch)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)