Jászai Mari (Maria), eigentl. Krippel Maria Anna, Schauspielerin. Geb. Ászár (H), 24. 2. 1850; gest. Budapest (H), 5. 10. 1926; röm.-kath. Tochter von József Krippel und Julianna Krippel, geb. Keszei; 1869–71 mit dem Schauspieler Vidor Kassai (geb. Gyála, Ungarn / Đala, SRB, 16. 2. 1840; gest. Vác, H, 30. 7. 1928) verheiratet. – Nach dem frühen Tod ihrer Mutter wuchs J., unter einem tyrannischen Vater leidend, in ärmlichsten Verhältnissen auf. Sie besuchte die Elementarschule in Raab und arbeitete anschließend als Dienstmädchen in Pest und Fünfkirchen sowie für eine Marketenderin während des preußisch-österreichischen Kriegs. Nach der Schlacht bei Königgrätz 1866 kehrte sie über Wien nach Ungarn zurück, floh jedoch bald von zu Hause und wandte sich der Schauspielerei zu. 1866–67 trat sie auf Provinzbühnen, 1867–69 am Ofener Volkstheater und 1869–72 in Klausenburg auf. 1872 wurde J. an das Ungarische Nationaltheater engagiert, wo sie in der Rolle von Königin Gertrudis in →József Katonas „Banus Bánk“ debütierte. 1893–94 unterrichtete sie an der Landesakademie für Musik und darstellende Kunst in Budapest. Aufgrund persönlicher Differenzen trat J. 1900 auf der Bühne des Budapester Vígszínház auf, kehrte jedoch 1901 erneut zum Nationaltheater zurück, wo sie bis zu ihrem Tod verblieb. Nach →Anna Kántor-Engelhardts und →Róza Laborfalvys Wirken stellt J.s Schauspielkunst den Höhepunkt der Entwicklung des tragischen Rollenfachs in der ungarischen Theatergeschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts dar. J. kreierte die Rolle der Hexe Druse in →Mihály Vörösmartys Märchendrama „Csongor und Tünde“, der Eva in →Imre Madáchs Stationendrama „Die Tragödie des Menschen“ sowie der Frau Baradlay in der Bühnenadaption des Jókai-Romans „Die Baradlays“. Sie verkörperte in Ungarn als Erste die Heldinnen der sophokleischen Tragödien Antigone, Elektra sowie Iokaste in „König Ödipus“. Theatergeschichte schrieb sie auch als Darstellerin in Shakespeare-Stücken, u. a. als Goneril („König Lear“), Portia („Julius Caesar“), Margareta („König Richard III.“), Lady Macbeth („Macbeth“), Volumnia („Coriolanus“) und Gertrude („Hamlet“). 1892, anlässlich der Internationalen Ausstellung für Musik und Theaterwesen, faszinierte sie als Medea in →Franz Grillparzers „Das goldene Vließ“ auch das Wiener Publikum. J. galt darüber hinaus als hervorragende Rezitatorin und beeindruckte v. a. durch ihre Interpretation von Petőfi-Gedichten. 1914 spielte sie in den in Klausenburg unter der Regie von Mihály Kertész (Michael Curtiz) gedrehten Stummfilmproduktionen „A tolonc“ und „Bánk bán“ mit. Des Weiteren war sie schriftstellerisch tätig („A tükröm“, 1909; „Szinész és közönség“, 1918), ihre Memoiren und Korrespondenzen wurden posthum veröffentlicht („Jászai Mari emlékiratai“, ed. István Lehel, 1927; „Jászai Mari levelei“, ed. Sandor Kozocsa, 1944). Nach J. wurden u. a. das Theater in Tatabánya, ein Krater auf dem Planeten Venus sowie der staatliche Jászai Mari-Preis benannt. Ab 1901 ewiges Ehrenmitglied des Ungarischen Nationaltheaters, war J. ab 1909 Ehrenmitglied der Petőfi-Gesellschaft und erhielt 1919 als erste im Bereich der Bühnenkunst wirkende Person den Greguss-Preis der Kisfaludy-Gesellschaft.