Lendvay-Hivatal (Latkóczy-Hivatal), Anikó; geb. Hivatal (1814–1891), Schauspielerin

Lendvay-Hivatal (Latkóczy-Hivatal) Anikó, geb. Hivatal, Schauspielerin. Geb. Pest (Budapest, H), 8. 2. 1814; gest. Budapest (H), 6. 8. 1891; evang. HB. Tochter des Handwerkers Ferenc Hivatal (gest. 1815) und dessen Frau Juliska Hivatal, geb. Balogh, Stiefmutter von →Márton Lendvay d. J., Nichte des Schauspielers, Theaterdirektors, Schriftstellers und Übersetzers István Balog (Balogh) (geb. Lucs, Ungarn / Luč, HR, 8. 12. 1790; gest. Pest, 21. 6. 1873); ab 1832 mit →Márton Lendvay d. Ä., in 2. Ehe mit dem Maler Lajos Latkóczy (geb. Rosenau, Ungarn / Rožňava, SK, 29. 3. 1821; gest. Miskolcz /Miskolc, H, März 1875) verheiratet. – H. trat bereits um 1820 mit der von ihrem Onkel István geleiteten Schauspieltruppe auf und gilt als die erste Kinderdarstellerin der ungarischen Theatergeschichte. Größere Bekanntheit erlangte sie durch ihre Darstellung der Adolphine in August von Kotzebues Lustspiel „Der verbannte Amor, oder die argwöhnischen Eheleute“ 1825 in Pressburg. Während des dortigen Landtags 1825–27 spielte sie gemeinsam mit Bühnengrößen wie János Bartha, →Róza Déry und →Károly Megyeri. 1825–33 Mitglied der unter der Leitung von →Ferenc Komlóssy stehenden Schauspielergesellschaft von Transdanubien sowie der Truppe von Károly Balla, gastierte sie u. a. in Ödenburg, Raab, Klausenburg und Pressburg. In Pest betrat sie in der Saison 1829/30 zum ersten Mal die Bühne. 1833–34 gemeinsam mit ihrem 1. Ehemann in Kaschau engagiert, wirkte L. 1834–37 am Ofener Burgtheater. Ab 1837 war sie Mitglied des Pester Ungarischen Theaters, ab 1840 bis zu ihrer Pensionierung 1860 Mitglied des Ungarischen Nationaltheaters; danach lebte sie zurückgezogen. In Pest avancierte L. bald zur gefeierten Bühnenkünstlerin. Sie faszinierte das Publikum sowohl im Rollenfach der Naiven bzw. der jugendlichen Liebhaberin – u. a. als Luise Miller in Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“, Julia in William Shakespeares „Romeo und Julia“ oder Lidi in →Károly Kisfaludys „Csalódások“ – als auch als tragische Heldin, u. a. als Ophelia und Desdemona in Shakespeares „Hamlet“ bzw. „Othello“, als „Melinda“ in →József Katonas „Banus Bank“ sowie als Maria Stuart in Schillers gleichnamigem Trauerspiel. Ihre Verkörperung der Griseldis in Friedrich Halms (→Eligius Franz Josef Freiherr Münch von Bellinghausen) gleichnamigem Drama wurde auch von Róza Déry gelobt, Schriftsteller wie →János von Garay, →Sándor Petőfi und →Mihály Vörösmarty widmeten ihr Gedichte. L. gehörte jener Generation an, die die Entwicklung des Bühnenschauspiels in Ungarn, von der Epoche des Wanderschauspiels bis zur endgültigen Institutionalisierung durch die Gründung des Nationaltheaters in Pest, maßgeblich mitgeprägt hatte, und gilt als eine der bedeutendsten Gestalten des ungarischen Theaterwesens im 19. Jahrhundert.

Weitere Rollen: Dorine (Molière, Tartuffe); Katharina Howard (A. Dumas d. Ä., Krone und Schafott); Catarina Bragadini (V. Hugo, Angelo, Tyrann von Padua); Donna Diana (A. Moreto – C. A. West, Donna Diana).
L.: Die Presse, 21. 6., Pester Lloyd, 6., Budapesti Hirlap, 7., 9. 8. 1891; Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex.; M. Irodalmi Lex. I; Pallas; Révai; Szinnyei; ÚMÉL; J. Ferenczy – J. Danielik, Magyar írók. Életrajz-gyüjtemény, 1856; J. Bayer, A nemzeti játékszín története 2, 1887, s. Reg.; Vasárnapi Ujság 38, 1891, S. 523f. (mit Bild); Színészeti lexikon 1, 1930; Magyar színművészeti lexikon 3, 1931 (mit Bild); J. Pukánszkyné Kádár, A Nemzeti Színház százéves története 1, 1940, s. Reg.; Színházi kislexikon, 1969 (mit Bild); P. Gulyás, Magyar írók élete és munkái 13, 1993; Magyar színházművészeti lexikon, 1994 (mit Bild); Veszprém megyei színházművészeti lexikon, 2008; Színészkönyvtár (online, Zugriff 26. 5. 2020).
(Á. Z. Bernád)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), S. 131
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