Dirkens, Annie; geb. Drews Marie Therese Agnes, verehel. Freifrau von Hammerstein-Equord (1870–1942), Sängerin und Schauspielerin

Dirkens Annie, geb. Drews Marie Therese Agnes, verehel. Freifrau von Hammerstein-Equord, Sängerin und Schauspielerin. Geb. Berlin, Preußen (D), 25. 9. 1870; gest. Wien, 15. 11. 1942 (ehrenhalber gewidmetes Urnengrab: Feuerhalle Simmering); altkath. Tochter des in Deutschland lebenden englischen Bahnbeamten Peter August Drews; ab 1898 verheiratet mit dem k. u. k. Kämmerer und Major im Ulanenregiment Nr. 11 Wilhelm Freiherr von Hammerstein-Equord (geb. Gmunden, Oberösterreich, 9. 12. 1868; gest. 31. 3. 1915). – D. wuchs zweisprachig auf (Englisch, Deutsch) und studierte Gesang am Sternschen Konservatorium Berlin sowie am königlichen Konservatorium Dresden bei Nina Falkenberg. 1890 debütierte sie am Viktoria-Theater Berlin in „Die sieben Raben“ und wechselte ein Jahr später ans Adolf-Ernst-Theater in Berlin (später Thalia-Theater). 1893 wurde sie unter Direktor Max Staegemann Mitglied der Vereinigten Stadttheater in Leipzig, wo sie sich als Soubrette einen Namen machte. Gastspiele führten sie mit einem „Coburger Ensemble“ nach London und 1895 erstmals nach Wien. Dort feierte sie am Theater an der Wien als Adele in →Johann Strauß’ (Sohn) „Fledermaus“ einen großen Erfolg und wurde von Direktorin →Alexandrine von Schönerer engagiert. In der folgenden Spielzeit kreierte sie die Pauline, „Sängerin der Dresdener Oper“ in der Uraufführung der Operette „Waldmeister“ von Strauß. 1896 übernahm sie die Titelrolle in Eugen von Taunds „The Little Genius“ („Der Wunderknabe“) im Londoner Shaftesbury Theatre, ein Jahr später verkörperte sie die Comtesse Mathilde Nevers in der Uraufführung der letzten Johann Strauß-Operette „Die Göttin der Vernunft“. →Richard Heuberger lobte ihr „feines, graziöses Talent, voll Geist und Reiz“ und schrieb ihr in seiner Operette „Der Opernball“ die Rolle der Kammerzofe Hortense auf den Leib (Uraufführung 1898, Theater an der Wien). 1899 wechselte sie ans Theater in der Josefstadt, wo sie in Victor Rogers Vaudeville „Wie man Männer fesselt“ als Edith von Chatellerault 150-mal en suite auf der Bühne stand. In diesem Stück gastierte sie 1906 im deutschsprachigen Irving Place Theatre in New York. Auch in Europa entfaltete sie eine rege Gastspieltätigkeit, u. a. als Hanna Glawari in →Franz Lehárs „Die lustige Witwe“. 1907 vermeldete sie im „Neuen Wiener Journal“ ihren Rückzug von der Bühne, da keine Stücke mehr mit passenden Rollen für sie geschrieben würden. Ein Jahr später kehrte sie in der Rolle der Journalistin Gonda van der Loo in →Leo Falls Operette „Die geschiedene Frau“ auf die Bühne zurück. Diese Rolle markierte den Höhepunkt ihrer Karriere. Sie sang sie auch bei der Berliner Erstaufführung im Theater des Westens. Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs meldete sich D. als Helferin zum Roten Kreuz und pflegte in österreichischen Feldlazaretten verwundete Soldaten, darunter auch ihren Mann, der nach einer erfolglosen Beinamputation in ihren Armen starb. Drei Jahre später erlitt sie bei einem Unfall so schwere Verletzungen, dass sie als 60%ige Kriegsinvalidin nach Wien zurückkehrte. Ihr letzter Bühnenauftritt war 1922 am Wiener Bürgertheater in Hugo Hirschs Vaudeville „Die Scheidungsreise“ mit dem Schlager „Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht?“. Nach Verlust ihres Vermögens durch die Inflation führte sie eine Tabak-Trafik in der Nähe des Burgtheaters. Sie starb fast vergessen.

Weitere Rollen (s. auch Gänzl): Brief-Christl (C. Zeller, Der Vogelhändler, Theater an der Wien, 1895); Adrienne (Die Diva, Musik C. Weinberger, Carl-Theater, 1900); Messalinette (Die Ringstraßen-Prinzessin, Musik R. Berger - E. Reiterer, Danzer’s Orpheum, 1905); Minna (Miss Hook von Holland, Musik P. Rubens, 1907); Küchenfee (In fünfzig Jahren, Musik C. M. Ziehrer, Ronacher, 1911).
L.: Neues Wiener Journal, 29. 12. 1907; NWT, 19. 11. 1942 (mit Parte); Eisenberg, Bühne; Kutsch–Riemens; oeml; O. Keller, Die Operette in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 1926, s. Reg.; A. Bauer, Opern und Operetten in Wien, 1955, s. Reg.; K. Gänzl, The Encyclopedia of the Musical Theatre, 1994 (mit Rollenverzeichnis); M. Linhardt, Inszenierung der Frau – Frau in der Inszenierung. Operette in Wien …, 1997, s. Reg.; F. Mailer, J. Strauß (Sohn). Leben und Werk in Briefen und Dokumenten 8, 2000, s. Reg.; St. Frey, L. Fall. Spöttischer Rebell der Operette, 2010, s. Reg.; WStLA, Wien.
(St. Frey)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)