Zeithammer, Antonín Otakar (1832–1919), Politiker

Zeithammer Antonín Otakar, Politiker. Geb. Pisek, Böhmen (Písek, CZ), 5. 11. 1832; gest. Praha, Tschechoslowakei (CZ), 13. 11. 1919; röm.-kath. Sohn des Gymnasialprofessors Řehoř (Gregor) Zeithammer (geb. 31. 7. 1800; gest. Prag, 24. 8. 1881) und der Marya Zeithammer, Bruder des Schriftstellers und Pädagogen Leopold Zeithammer (geb. 19. 12. 1834; gest. 17. 3. 1905), Onkel des Schriftstellers Viktorin Zeithammer (1872–1925); unverheiratet. – Z. besuchte zuerst das Gymnasium in Pisek und ab 1847 jenes in Prag-Kleinseite. Ab 1850 studierte er Jus an der Universität Prag, allerdings ohne Abschluss. Nachdem er 1855 ebendort Staatsprüfungen für Geschichte und Geographie abgelegt hatte, wirkte er als Lehrer an diversen Gymnasien, darunter am Theresianum in Wien, wo er sich mit →Karl Habietinek anfreundete. 1856–61 an einem Gymnasium in Agram sowie 1861–65 am akademischen Gymnasium in Prag unterrichtend, war Z. ab 1862 auch journalistisch – als Mitarbeiter von →Jan Stanislav Skrejšovský – tätig. Als dessen wichtigster politischer Vertrauensmann während der 1860er- und 1870er-Jahre leitete Z. ab 1871 die Tageszeitung „Pokrok“, das Sprachrohr der Alttschechen. In politischer Hinsicht war er bereits 1848 als Mitglied der Prager akademischen Legion und des akademischen Lesevereins aktiv. Damals pflegte Z. eine enge Freundschaft mit dem radikalen Demokraten →Rudolf von Troskow. Eine tschechisch-nationale Weltanschauung dürfte sich bei Z. erst nach seiner Rückkehr aus Agram entwickelt haben, da er zuvor eher dem liberal-demokratischen Lager um Skrejšovský und →Julius Grégr angehörte. Nach einer politisch motivierten Versetzung nach Troppau verließ Z. den Staatsdienst 1863. Im selben Jahr wurde er in den böhmischen Landtag gewählt, dem er bis 1891 angehörte. Z., der sich schrittweise den konservativen und staatsrechtlich radikalen Positionen der Nationalpartei („Alttschechen“) annäherte, gehörte seit den 1860er-Jahren zu den wichtigsten politischen Weggefährten von →Frantíšek Palacký, →František Ladislav Freiherr von Rieger und später auch von →Albin Bráf. Mit diesen nahm er etwa an der Ausarbeitung der staatsrechtlichen Deklaration von 1868 sowie der Fundamentalartikel von 1871 teil. Das Scheitern dieser Versuche um einen staatsrechtlichen Ausgleich bewirkte, dass sich Z. auf Böhmen und dort insbesondere auf die Prager Kommunalpolitik konzentrierte (1873–79 fungierte er als Vizebürgermeister). Seiner Wahl zum Bürgermeister 1876 blieb allerdings die kaiserliche Zustimmung verwehrt. Daneben wirkte Z. 1870/71 sowie 1878–91 als Beisitzer des böhmischen Landesausschusses. Erst nach Rückkehr der tschechischen Abgeordneten in das Wiener Abgeordnetenhaus 1879 widmete sich Z. erneut der länderübergreifenden Politik: Als begabter Organisator und Politiker leitete er den journalistischen Kampf gegen die Freisinnige Nationalpartei („Jungtschechen“) und organisierte auch die Wahlkampagnen der Alttschechen. Als Unterstützer des Eisernen Rings von Ministerpräsident Taaffe nahm Z. immer konservativere Positionen ein. Bleibendes erreichte er im Parlament durch die „Lex Zeithammer“, jene Reform der Reichsratswahlordnung 1882, die den Einzug der „Fünfguldenmänner“ ermöglichte und dadurch die Zusammensetzung des Hauses gravierend veränderte – langfristig gesehen zum Nachteil seiner eigenen Partei. 1888 wurde Z. zum Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses gewählt. 1890 erwarb er sich noch einmal Verdienste um den Abschluss der „Wiener Punktationen“, einem weiteren (fruchtlosen) Ausgleichsversuch zwischen der Wiener Regierung und tschechischen Vertretern. Der politische Niedergang der Alttschechen Ende der 1880er-Jahre ließ auch Z. in den Hintergrund treten, sodass er schließlich 1891 seine politischen Ämter niederlegen musste. Seine konservative und habsburgtreue Haltung behielt Z. sogar während des 1. Weltkriegs bei. 1882 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Klasse und wurde 1909 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses berufen.

W.: Zur Geschichte der böhmischen Ausgleichsversuche (1865–1871), 2 Bde., 1912/13.
L.: Humoristické listy, 18. 3. 1882; Národní listy, Národní politika, 13. 11. 1919; Adlgasser; Lišková; J. Tomeš u. a., Tváře českého parlamentu, 2012, S. 532ff.
(L. Velek)  
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)